Psychogramm eines Egomanen:Niemals, niemals, niemals, niemals aufgeben

Lesezeit: 4 min

Steve Jobs hat Apple vor 30 Jahren als einen Aprilscherz gegründet - Jeffry Young und William L. Simon schreiben die Biografie des Unternehmers und liefern das Puzzle-Porträt eines unbürgerlichen Vagabundenlebens aus der Silicon-Valley-High-Class.

Bernd Graff

Es hat etwas Aufregung gegeben, als dieses Buch im letzten Jahr in den USA veröffentlicht wurde. Der amerikanische Verleger John Wiley hatte sich vor der Drucklegung an die Computerfirma Apple gewandt mit der Bitte, seine unautorisierte Biographie des Firmenmitbegründers und jetzigen Chefs Steve Jobs auf sachliche Fehler zu prüfen.

Steve Jobs vor dem weltberühmten Logo seines Unternehmens. (Foto: Foto: dpa)

Apple habe recht schroff geantwortet: "Man hat uns mitgeteilt", so Jeffrey Young, einer der beiden Autoren, "dass es nur eine Form der Fehlerbehebung gebe: Das Buch erst gar nicht zu drucken." Verleger Wiley ließ sich nicht beirren. Er veröffentlichte "iCon. Steve Jobs: The Greatest Second Act in the History of Business", so der US-Titel - und wurde sofort von Apple geschnitten:

Nicht nur dieses, alle Bücher aus seinem Verlag wurden weltweit aus dem Sortiment der Apple-Stores verbannt.

Man könnte nun meinen, so etwas ließe auf brisante Enthüllungen schließen. Man sähe dann an diesem Fall exemplarisch bestätigt, dass Steve Jobs, wie im Buch beschrieben, zu divenhafter Überreaktion neige und seine Computerfirma als Geheimniskramladen führe.

Allein, Young und Simon enthüllen nichts. Sie erzählen Anekdoten. Historisch geordnete, gründlich recherchierte Anekdoten, gewiss. Aber es bleiben Anekdoten. Unentschieden schwankend, was sie - oft nur knapp über der Stammtischkante - bieten wollen: Das Puzzle-Porträt eines unbürgerlichen Vagabundenlebens aus der Silicon-Valley-High-Class.

Das Märchen von einem, der auszog aus der Vorstadt-Garage

Oder ein Potpourri aus der Apple-Geschichte unter besonderer Würdigung eines launischen Über-Chefs. Das Verblüffende dann aber ist: Steve Jobs kommt immer ziemlich gut weg. Genau genommen ist das Buch sogar eine Arbeit am Mythos: Berichtet wird von Aufstieg, Fall und Wiederaufstieg des sagenhaften Steve, der jeden Zuhörer mit seinem magischen "Reality Distortion Field" (S. 104) willenlos macht. Schon das erste Wort des Buches lautet "Charisma".

Nun muss man eine Biographie nicht als Wunder-Knaben-Geschichte arrangieren. Wenn man es tut, begibt man sich in Gefahr, doch nur Märchen zu erzählen. Und das Märchen von einem, der auszog aus der Vorstadt-Garage in diverse Vorstands-Etagen, um zuerst sich selbst und dann die Welt zu beglücken, dieses Märchen geht hier in Kürze so: Immer atemlos berichtet wird die Geschichte des 1955 in San Francisco geborenen Adoptivkinds Steve, das aufopferungsvoll von den Mittelstandseltern Jobs großgezogen und aufs viel zu teure College geschickt wird.

Steve schmeißt die Ausbildung, gammelt ein wenig rum, lernt den Elektro-Tüftler Steve Wozniak kennen und gründet mit ihm am 1. April 1976 die Firma Apple. Ausdrücklich als Aprilscherz. Jobs ist da 21 Jahre alt. Die Firma entwickelt - damals avantgardistische - Personal Computer: den Apple I und den Apple II, dann den Macintosh, kurz Mac, zu dessen Einführung Ridley Scott 1984 den berühmten Superbowl-Werbespot gedreht hat.

Jobs' Spielbein Pixar gibt der Branche den Takt vor

Die Dinge laufen bestens, die Firma wächst in 10 Jahren von der Garagenfirma zu einem Milliarden-Unternehmen mit über 4000 Angestellten. 1985 unterliegt Jobs in einem internen Machtkampf gegen den von ihm selbst eingestellten John Sculley. Jobs verlässt Apple. Er gründet die Computerfirma NeXT, die, finanziert von seinem Privat-Vermögen, jahrelang an einem Übercomputer herumdoktert, dem NeXT Cube, der sich als elegant und überteuert erweisen wird und kaum verkauft werden kann.

Zum Cube gehört allerdings auch ein Betriebssystem, NeXTSTEP, das 1997 von der mittlerweile fast maroden Firma Apple so überzeugend gefunden wird, dass sie die inzwischen fast marode Firma NeXT aufkauft. Jobs ist wieder bei Apple - zuerst in der Funktion eines "Sonderberaters". Er hat indes mittlerweile ein weiteres Betätigungsfeld gefunden. 1986 hatte er die Computergraphik-Abteilung von George Lucas' Lucasfilm gekauft und sie zu einem Unternehmen für digitale Animation mit Namen Pixar gepäppelt.

Pixar produziert äußerst erfolgreiche, sogar Oscar prämierte Trickfilme - mal mit dem, mal gegen das Imperium des Trickfilm-Giganten Disney, in dem es dieser Schilderung nach unter Michael Eisner zugegangen sein muss wie in einem Operetten-Unternehmen. Jobs' Spielbein Pixar gibt der Branche Mitte der Neunziger den Takt vor, sein Standbein Apple braucht dazu noch eine Weile.

Genauer gesagt bis zur Vorstellung des iPod im Jahr 2001, dessen anhaltender Erfolg nicht zuletzt dem Deal mit den damaligen "Big Five" geschuldet ist: Jobs schloss Verträge mit allen Major Labels der Musik-Industrie, die ihre Ware seitdem auch über Apples iTunes-Music-Store anbieten.

Jobs mit einem iPod Nano. (Foto: Foto: AP)

Jeffrey Young und William S. Simon haben gründlich recherchiert. Sie haben tief in Archiven gegraben. Und sie haben Interviews mit hochrangigen Apple-Beteiligten geführt, beziehungsweise vorgefunden, aus denen ausgiebig zitiert wird.

Dazu kommen Gossip, Tratsch und Insider-Informationen von Akteuren, die nicht namentlich genannt werden wollen. So verausgabe sich Jobs, wenn es ihn denn mal packt, in einem ineffizienten Mikro-Management, erscheine aber nur dann vorbereitet, wenn es wirklich darauf ankommt (etwa beim NeXTSTEP-Deal mit Apple).

Das heikle Thema Körpergeruch

Die Autoren konstruieren aus all dem Hörensagen sehr suggestiv ein Indizien-Mosaik: das Psychogramm eines unantastbaren, mitunter weinerlichen Egomanen. Klar, es geht immer um mindestens siebenstellige Dollar-Beträge. Doch Jobs' Beziehungen seien durchgängig geprägt von illoyaler Loyalität oder loyaler Illoyalität.

Ansonsten schwelgen die Autoren immer dann in Belanglosigkeiten, wenn sie angetan sind, der Jobs-Ikone (US-Titel!) persönlich am Lack zu kratzen. Etwa im Bericht über den Dauerstreit mit Mike Scott, einem der ersten Apple-Präsidenten: "Scott brachte das heikle Thema Körpergeruch auf.

Jobs, der seine Ernährung auf Früchte beschränkte, war der Ansicht, dass er deshalb nicht zu duschen brauchte.

Scotts Mitteilung besagte, dass niemand im Büro es ertrug, in seiner Nähe zu arbeiten." (S. 66) Oder: "Scott erfuhr, dass Steve gerne nach einem harten Tag mit den Füßen in der Toilettenschüssel relaxte und hin und wieder den Spülknopf betätigte."(S. 76)

Oder: "Bill Atkinson (der Erfinder von MacPaint) gewann Steve Jobs für sich, als er in einer Versammlung, auf der Steve eine Tirade aus himmelschreiendem technologischen Unsinn ausspuckte, plötzlich aufstand und rief: ,Steve Jobs, du bist ein Arschloch.'"

Jobs' Rede ist aussagekräftiger als die 448 Seiten der Autoren

Die Reihung solcher Mätzchen ergibt kein stimmiges Bild. Genauso wenig wie die mantra-artig vorgetragene Begründung für Jobs traumtänzerische Karriere: Steve ist der unbeirrbare Überflieger mit dem Churchill-Motto: "Niemals, niemals, niemals, niemals aufgeben." (S. 368) Ein Fazit, dass auch Steve Jobs nur wie ein Korken von unberechenbaren Gewässern getragen wurde, hätte die Pointe des Buches werden können. Hätte.

Die Story endet mit dem Beginn des Jahres 2005. Die Autoren wissen da noch nichts von dem "Intel-Deal", der Apples Zukunft bestimmen wird. Sie kennen auch Jobs' Juni-Rede vor Stanford-Studenten noch nicht (http://news-service.stanford.edu/news/2005/june15/ jobs-061505.html). Jobs fasst darin sein Leben selber zusammen. Er benötigt dazu eine Viertelstunde. Die Autoren 448 Seiten plus Anhang. Jobs' Rede ist aussagekräftiger.

JEFFREY YOUNG, WILLIAM L. SIMON: Steve Jobs. Und die Geschichte eines außergewöhnlichen Unternehmens. Scherz Verlag, Frankfurt am Main 2006. 456 Seiten, 19,90 Euro.

© SZ vom 01.04.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: