Protest von Architekt Eisenman:Das Mahnmal als "Geisel der political correctness"

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Im Streit um den Ausschluss des Chemieunternehmens Degussa vom Bau des berliner Holocaust-Mahnmals hat sich nun dessen Architekt Peter Eisenman mit einer erstaunlichen Bemerkung zu Wort gemeldet: "Wäre das Projekt schon im Geist der `Correctness` begonnen worden, hätte ich nie mitgewirkt."

Der Architekt des Berliner Holocaust-Mahnmals, Peter Eisenman, hat gegen den Ausschluss des Chemieunternehmens Degussa vom Bau heftig protestiert. Das Vorhaben drohe zur Geisel der "political correctness" zu werden, schrieb Eisenman in einem Beitrag für die Wochenzeitung "Die Zeit" (Donnerstagausgabe). "Wäre das Projekt schon in dem Geist begonnen worden, in dem es nun fortgeführt zu werden droht, hätte ich nie mitgewirkt", betonte der Amerikaner.

Degussa habe vorbildlich seine Geschichte aufgearbeitet und sei Vorreiter bei der Einrichtung des Entschädigungsfonds für die NS- Zwangsarbeiter gewesen. Er verstehe zwar, dass Mitglieder der jüdischen Gemeinde, speziell in Deutschland, empfindlich auf den Namen Degussa reagierten. "Indem wir Degussa das Recht an einer Beteiligung absprechen, erlauben wir es der Vergangenheit, uns blind zu machen für all das, was sich bis heute getan hat", betonte Eisenman.

Das Kuratorium hatte entschieden, ein Degussa-Produkt zum Schutz der 2700 Beton-Stelen nicht zu verwenden, weil der Name Degussa mit der Judenvernichtung verknüpft sei. Eine Degussa-Tochterfirma hatte in der NS-Zeit das Giftgas Zyklon B für die Ermordung der Juden in den deutschen Konzentrationslagern hergestellt. Degussa hatte am Montag die Entscheidung akzeptiert.

"Sprich nicht zu laut, kleide dich nicht zu auffällig!"

Das Mahnmal solle gerade den Generationen nach dem Holocaust die Möglichkeit geben, sich mit der Geschichte auseinander zu setzen. So habe die Kontroverse um Degussa auch etwas Positives. Trotz aller Versuche, die Geschichte zu verdrängen, trete sie wie in diesem Fall immer wieder zu Tage.

"Würde man Degussa die Beteiligung an diesem Projekt verweigern, hieße das, die Aufarbeitung der Schuld als Privileg zu behandeln", schrieb Eisenman.

"Sprich nicht zu laut, kleide dich nicht zu auffällig' - das waren die Warnungen der Deutschen an die Juden. Sind wir gerade dabei, ähnliche Maßregelungen zu erteilen?", heißt es in dem Beitrag.

Der Schriftsteller Rafael Seligmann plädierte dafür, den Bau endgültig abzubrechen. Nur so lasse sich ein Desaster verhindern, das drohe, "die deutsch-jüdischen Versöhnungsbemühungen eines halben Jahrhunderts zunichte zu machen", schreibt Seligmann im Magazin "Stern".

Mit seinen gigantomanischen Ausmaßen gleiche das Mahnmal eher dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände. In Berlin werde bereits auf vielfache Weise der Opfer gedacht, etwa in der Wannsee-Villa, in der Adolf Eichmann und andere hochrangige NS- Funktionäre den Völkermord planten, sowie im KZ Sachsenhausen vor den Toren der Stadt.

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