Sophie Auster sagt, dass sie sich versucht hat einzufühlen in diese Texte, so wie sie sich als Schauspielerin in den Text einer Rolle einzufühlen versucht. Schauspielerin zu werden, das war der zweite Traum, nach dem Singen, den Sophie Auster als Kind träumte. Sie war zwölf, als sie sich beim Lee Strasberg Theatre and Film Institute anmelden ließ. Bei Strasberg, der Method-Acting-Schule, gibt es Programme für Kinder ab sieben und für Teenager. Die zwölfjährige Sophie Auster wurde gleich in die Klasse der 15- bis 17-Jährigen gesteckt. Am Anfang, sagt sie, war das toll: mit den Älteren lernen. Aber die seien immer so albern gewesen, so wenig ernsthaft bei der Arbeit. ,,Ich war schnell diejenige, die am weitesten war, und man lernt ja nichts, wenn man immer die Beste ist.''
Komischerweise klingt so ein grauenhafter Strebersatz bei Sophie Auster überhaupt nicht schlimm oder eingebildet. Nicht mal naiv. Eher wahnsinnig amerikanisch: Sie meint es ernst, sie mag den Wettbewerb. Deshalb hat sie mit 16 bei Strasberg hingeworfen, ist zu einer privaten Schauspiellehrerin gewechselt in eine Erwachsenengruppe mit Leuten zwischen 25 und 60. Die hätten sie endlich herausgefordert, und überhaupt funktioniere Method Acting ja auch nur begrenzt, sie wollte weitere Schauspieltechniken erlernen. Als sie ihren High-School-Abschluss hatte, ist sie deshalb nach London gegangen, an die British American Dramatic Academy. Da war sie dann auf einmal nicht mehr die Beste, sagt sie: endlich.
Jemand hat ihr an einem der schwierigeren Tage in London dann eine schöne Anekdote von Dustin Hoffman und Laurence Olivier erzählt, die vom Set von ,,Marathon Man'' stammen muss, den die beiden 1976 mit John Schlesinger drehten. Hoffman, der Method-Actor, habe den da schon bald siebzigjährigen Shakespeare-Titanen verzweifelt um Rat gefragt bei einer Szene, bei der er nicht gewusst habe, wie er sie spielen sollte. Olivier habe ihm bloß geantwortet: ,,Just act, my dear, just act.'' Das, sagt Sophie Auster, müsse dann wohl das Geheimnis sein. Und sie klingt dabei schon wieder nicht altklug, schon wieder nicht anmaßend.
Angst vor den Dreharbeiten
Wie weit es trägt, das Geheimnis, wird sie demnächst ausprobieren können. Von September an dreht sie mit Raoul Ruiz, der zuletzt ,,Klimt'' gemacht hat. Es wird ihre erste richtige Hauptrolle, und zum ersten Mal wird ihr Vater nicht dabei sein, genauso wie bei ihrem zweiten Popalbum, das sie gerade schreibt, die Texte werden diesmal von ihr sein. Nebenbei wird sie ihr Literaturstudium weitermachen. Ja, Sophie Auster kann einem schon auch Angst machen.
Wenigstens sagt sie zum Schluss, dass sie nun selbst etwas Angst habe, vor den Dreharbeiten mit Ruiz zu ,,Le Sens de la Nuit''. Die werden auf Französisch sein. Nicht dass Sophie Auster kein Französisch spräche, ziemlich gut sogar. Auf ihrer Platte kann man es hören, wie sie Apollinaires ,,Le Pont Mirabeau'' im Original singt, vertont als zartes Chanson, da klingt nur ihr R manchmal etwas arg amerikanisch. Weshalb sie nun noch unbedingt an ihrer Aussprache arbeiten will, sagt sie, bevor die Dreharbeiten losgehen.
Gott, wenn doch nur alle grauenvollen Streber dieser Welt bei ihrer Arbeit so zauberhaft wären wie Sophie Auster.