Portrait: Alfred Neven DuMont:Der Ritter vom Print

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Bloß keine Wiederholungen: Alfred Neven DuMont hat eine Menge Zeitungen eingekauft und wagt mit fast 82 Jahren noch mal das Spiel des Lebens. Es gefällt ihm, dass die Branche jetzt nach Köln blickt.

Kurt Röttgen

Der Abend hatte lange gedauert, beim Neujahrsempfang der Kölner Industrie- und Handelskammer (IHK) war es nicht bei einem Glas Rotwein und einer Zigarre geblieben. Dennoch saß der fast 82-jährige Verleger Alfred Neven DuMont am nächsten Morgen wieder in seinem hellen Büro mit moderner Kunst an den Wänden und erörterte die jüngsten Expansionspläne des viertgrößten deutschen Zeitungshauses. Ganz nach dem Schillers Wilhelm Tell entliehenen Motto, an das er sich seit beinnahe 56 Berufsjahren hält: "Wo's not tut, Fährmann, lässt sich alles wagen."

Nochmal alles wagen: Verleger Alfred Neven DuMont hat eingekauft. (Foto: Foto: ap)

Zu einer Zeit, in der schwindende Anzeigenerlöse und sinkende Auflagenzahlen die Zeitungslandschaft erschüttern, investiert Neven DuMont 152 Millionen Euro in den Kauf neuer Blätter. Am Montagabend wurden die Verträge mit der Mecom-zeutungsgruppe des in Deutschland an seinen hohen Renditezielen gescheiterten britischen Finanzinvestors David Montgomery unterzeichnet.

Die Zukunft der Zeitung

Wenn das Kartellamt zustimmt, gehören Berliner Zeitung, Berliner Kurier und Hamburger Morgenpost zum Verlag M. DuMont Schauberg. Wie schon Kölner Stadt-Anzeiger und der einstige Konkurrent Kölnische Rundschau, das rheinische Boulevardblatt Express, Radio Köln, die Mitteldeutsche Zeitung in Halle. Dazu kommen Beteiligungen an der Frankfurter Rundschau (über 50 Prozent) und der israelischen Ha'aretz-Gruppe.

"Ich glaube an die Zukunft der Zeitung", sagt Neven DuMont. Auch wenn ihre wirtschaftliche Position kleiner werde, die Auflage weiter abnehme. Er setzt auf inhaltliche Qualität, auf ein Angebot, das "die Zeitung trotz Internet für den wissenden Teil der Gesellschaft unentbehrlich macht". FR und Berliner Zeitung sollen sich "positiv befruchten", eng kooperieren.

Gravierend erscheinen dagegen die Probleme des Boulevards. Seit RTL und Sat 1 vor 25 Jahren mit ähnlichem Themenmix antraten, haben Verkaufszeitungen bis zur Hälfte ihrer Auflage verloren. Mehr denn je, so Neven DuMont, sei die Kunst gefragt, Seriöses leicht aufzubereiten. Er geniere sich als Verleger, wenn "Menschen in den Clinch genommen werden".

In den Zukäufen sieht er eine Existenzsicherung des 1802 gegründeten Unternehmens, das zu gleichen Teilen den Familien Neven DuMont und DuMont Schütte gehört. "Ich möchte meinen Nachfolgern ein interessantes und erfolgreiches Leben ermöglichen, ich hatte es ja auch", sagt Neven DuMont.

Er ist davon überzeugt, dass Sohn Konstantin, 39, und Neffe Christian DuMont Schütte, 51, den Verlag mit einem Jahresumsatz von 626,2 Millionen Euro (2007)auf Erfolgskurs halten können. Beide gehören der Geschäftsführung an, sie repräsentieren im Familienbetrieb die zwölfte Generation.

Vor sich selbst schützen

Neven DuMont fährt nicht mehr täglich vom Haus im Königsforst auf die andere Rheinseite ins Verlagsgebäude mit den verglasten Fassaden. Er müsse sich vor sich selbst schützen, sagt er. Doch die großen Dinge entscheidet der Vorsitzende des Aufsichtsrates selber. Hinter dem Grandseigneur werde immer noch der Pflichtmensch sichtbar, beobachtete Peter Pauls, engster Mitarbeiter des Verlegers und Herausgebers. Der Patriarch macht aber keinen Hehl daraus, dass ihn auch ganz egoistische Motive leiten.

Wie etwa die persönliche Neugierde, über die Konstantin Neven DuMont sagt: "Mein Vater ist immer dabei, wenn etwas Neues entsteht." Den Senior graust es vor der Vorstellung, das Leben habe ihm nichts mehr als Wiederholungen zu bieten. "Das Alter hat eine gewisse Tristesse, vieles war schon mal da", weiß Neven DuMont. Man könne dem nur Aktivität entgegensetzen, Teilhabe am Leben. Die schillernde Hauptstadt kommt da wie gerufen. Auch wenn, so Neven DuMont, die Wirtschaftskraft nicht mit München, Hamburg, Frankfurt oder Köln vergleichbar sei: "Berlin ist aufregender als jede andere deutsche Stadt."

Lesen Sie weiter auf Seite 2, warum Neven DuMont schon mal Prinz war.

Es gefällt ihm, dass die Branche in diesen Tagen nach Köln blickt. Neven DuMont genießt öffentliche Aufmerksamkeit. Im Mittelpunkt zu stehen, Beifall zu bekommen oder Reibung zu erzeugen, ist gewissermaßen die Lebensrolle des einstigen Schauspielers auf Münchner Bühnen. Den musischen Enkel des Malers Franz von Lenbach, der in Bayerns Metropole Philosophie, Geschichte und Literatur studiert hatte und an den Kammerspielen Regieassistent des großen Theatermannes Hans Schweikart war, drängte es seinerzeit keineswegs heim. Seine Geburtsstadt Köln erschien ihm so provinziell wie der von Vater Kurt herausgegebene Stadt-Anzeiger.

Nach einem Journalistik-Studium in Chicago und dem Verlagseintritt 1953 hat Neven DuMont einiges dazu beigetragen, dass sich Köln im reaktionären Klima der Adenauer-Republik allmählich zur weltoffenen Stadt entwickelte. Konsequent erneuerte er das "rechtsliberale, fürchterlich altmodische, grauenhafte" Blatt, setzte beim eher zögerlichen Vater die Trennung vom Chefredakteur durch und holte junge Journalisten in die Redaktion, mit denen er seine Vision von einer erfolgreichen liberalen Zeitung verwirklichte.

Meinungsstark

"Gegen den Muff von CDU, gegen die Gewerkschaftsbonzen der SPD, für die Freiheit der Presse", erinnert sich der Schriftsteller Hans Werner Kettenbach, ehemals stellvertretender Chefredakteur des Stadt-Anzeigers. Einen politischen Verleger, der "mit seiner Meinung nicht hinterm Berg hält", nannte ihn Kanzlerin Angela Merkel in der Festrede zum achtzigsten Geburtstag. Neven DuMont ist FDP-Sympathisant, "aber die Partei von Herrn Westerwelle ist nicht unbedingt meine".

Ende der sechziger Jahre engagierten sich Stadt-Anzeiger und der von Neven DuMont 1964 gegründete Express für die erste sozialliberale Koalition in Bonn. Heute, sagt der Verlagsherr, sei er Wechselwähler. Die großen Parteien sind ihm "zu unverbindlich, nicht zu greifen, ich erkenne keine Gesinnung".

Wer den Unwillen des mächtigen Medienmannes erregt, kann mit heftigen Reaktionen rechnen. Er liebt das sinnenfrohe, tolerante Köln, wo die Feste auch gefeiert werden, wie sie nicht fallen. Den Traum jedes Kölner Jungen, im Karneval "einmol Prinz zo sin", erfüllte er sich schon vor über 50 Jahren. Aber er wird ärgerlich, wenn die Hedonisten rund um den Dom über ihrem Frohsinn den Alltag vergessen. Köln sei von "Kleinkrämerei beherrscht", wetterte Ehrenbürger Neven DuMont im Stadt-Anzeiger, worauf Oberbürgermeister Fritz Schramma prompt die vier Ratsfraktionen zusammenrief und Besserung gelobte.

Die Zeitung ist für Neven DuMont Kulturgut, sie wird nicht vorwiegend aus finanziellen Gründen gemacht. Natürlich muss die Kasse stimmen und auch M. DuMont Schauberg baut Personal ab. Daran, so Neven DuMont, komme derzeit kein Verlag vorbei. Doch die publizistische Qualität war ihm immer genauso wichtig wie der Profit.

"Er hat einen Drang, seinen Einfluss zu stärken, fühlt eine Art Mission", erkannte Hans Werner Kettenbach. "Neven DuMont ist entflammbar wie ein Junger, von klarem journalistischen Urteil", sagt der frühere Deutschlandfunk-Chef Dieter Jepsen-Föge, ehemals Chefredakteur in Köln und Halle.

Wenn allerdings ein Beitrag Neven DuMonts Interessen beeinträchtigt, verändert sich die Grundhaltung. Er nimmt die Berichterstattung persönlich, empfindet sie sogar als illoyal, ist leicht erregbar. Dann kann es passieren, dass Korrespondenten einbestellt werden oder seine Sekretärin morgens um halb acht beim Chefredakteur daheim anruft und ausrichtet: "Der Verleger ist entsetzt über die Zeitung." Wobei er in direkter Unterredung durchaus den Mut zum Widerspruch schätzt. Auch nimmt er stillschweigend die Entlassung von Ressortleitern zurück, die er tags zuvor im ersten Zorn ausgesprochen hatte.

Die Prinzessin und der Ex-Prinz

"Harmonische Routine allein bringt kein Haus weiter. Und doch hab' ich mir diese (für Dich) öfter gewünscht!", schrieb Hedwig Neven DuMont ihrem Mann in dem Buch, das zu seinem fünfzigjährigen Verlagsjubiläum herauskam.

Die geborene Prinzessin von Auersperg mit dem großen Herzen für Menschen am Rande der Gesellschaft ist das ausgleichende Element zum impulsiven Partner. Das Paar hat noch eine Tochter, Isabella. Sohn Marcus, ein begabter Maler und Fotograf, verstarb mit 28 Jahren. Im Februar erscheint Neven DuMonts erster Roman: Reise zu Lena. Es geht darin um den Tod eines Kindes und ob sich der trauernde Vater öffnen kann für das, was vielleicht noch wartet.

Er habe eines erkannt, sagt Neven DuMont: "Man kann sich bemühen im Leben, doch das Rad läuft von allein." Immerhin hält er für männliche Besucher einen Rat bereit, wie sich das Rad der Zeit womöglich länger dreht: "Verlieren Sie nie den Blick für schöne Frauen."

© SZ vom 14.01.2009/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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