Porträt des älteren Lebens-Surfer Allan Weisbecker:"Sie hat mich verlassen, obwohl ich ein guter Surfer bin"

Lesezeit: 7 min

Gut aussehen, dealen, Mädchen in sich verliebt machen, auf die perfekte Welle warten: Im Leben des Surfers Allan Weisbecker ging es immer so auf und ab, wie auf den Wogen, die er reitet.

Tanja Schwarzenbach

Mit den Surfern ist es wie mit tätowierten Musikern. Sie setzen bei Frauen einen ganzen Apparat an Träumen in Gang. Weil sie machen, was sie wollen. Weil sie für ihre Leidenschaft leben! So stellen wir uns das vor. Wir sehen ihnen dabei zu, wie sie auf glitzernden Wellen gleiten, mit dem Surfboard unterm Arm den Strand entlanglaufen, braun gebrannt natürlich. Gut gebaut, natürlich. Zu ihrem Hund. Den streicheln sie liebevoll, ringen lachend mit ihm um einen viel zu großen Ast. Und sehen dabei unverschämt, unverschämt sexy aus.

Man kiffte, weil es zum Ritual gehörte, und wenn man sich an den Namen der Badenixe neben sich nicht mehr erinnern konnte, fragte man "Willst du mal surfen, Süße?" Damit war das Problem erledigt. (Foto: N/A)

Es gibt viele solcher Surfer, einer heißt Allan Weisbecker. Er ist 58 Jahre alt, nicht mehr ganz so gut gebaut und nicht mehr ganz so sexy. Dieser Surfer dachte tatsächlich, seiner Freundin komme es darauf an, dass er gut surfe. Kopfschüttelnd stellt er fest: "Sie hat mich verlassen, obwohl ich ein guter Surfer bin."

Weisbecker war in den sechziger Jahren einer der ersten Surfer an der amerikanischen Ostküste. Er steht auf dem Parkplatz am Bahnhof des Long Island Train, um seinen Gast abzuholen, und trägt dabei ein himmelblaues Muskelshirt - mit einer surfenden Frau darauf. Man könnte ihm jetzt erklären, dass es Frauen egal ist, ob der Surfer surfen kann, er darf nur nicht lächerlich aussehen auf seinem Board. Doch Weisbecker hat diesen Satz ohnehin nur fallen lassen, um die Geschichte, um die es hier gehen soll, von hinten aufzuzäumen. Nämlich mit einer Frau, um die derzeit all seine Gedanken kreisen, seine Ex-Freundin. Ehemals: Traumfrau Lisa.

Lisa, das erzählt Weisbecker also vorneweg, wollte ihn vor ein paar Monaten in Costa Rica umbringen - obwohl sie tagelang, wochenlang fabulösen Sex hatten! Mit düsterer Miene, seine Falten graben sich dabei noch etwas tiefer in sein sonnengegerbtes Gesicht, sagt er: "Ich habe mich in ein Monster verliebt."

Auf das Dach seines blauen Pick-ups ein Surfboard geschnallt, Hund "Honey" auf der Ladefläche, fährt Weisbecker zu seinem Haus in Montauk, dem östlichsten Zipfel Long Islands. So östlich ist der Punkt, dass die reichen New Yorker ihre Villen lieber ein paar Meilen vor Montauk, in East oder South Hampton bauen. Es kommen auch so wenige Touristen an diesen Ort, dass man es, obwohl es Amerika ist, weder für nötig hält, ein Schild aufzustellen ("Der östlichste Punkt New Yorks!"), noch eine dieser Imbissstuben ("Letzte Bratwurst vor Europa!").

Hier, in Montauk, stieg Allan Weisbecker zum ersten Mal auf ein Surfboard. 1965 war das. Wäre er einfach weiter durchs Leben geglitten, wäre er einer von vielen Hippie-Surfern geblieben, die sich bis heute am Strand die Birne zukiffen und benommen in die Sonne blinzeln.

"Wir dachten damals, wir sind unbesiegbar", sagt Weisbecker. Man kiffte, weil es zum Ritual gehörte, und wenn man sich an den Namen der Badenixe neben sich nicht mehr erinnern konnte, fragte man "Willst du mal surfen, Süße?" Damit war das Problem erledigt, die nächste Welle schon in Sicht. Surfen war ein Lebensgefühl. Eines, von dem in den sechziger Jahren nur wenige wussten. "New York war damals, was Kalifornien in den fünfziger Jahren war." Surfen ein Geheimnis, die Surfer "Outlaws", Gesetzesbrecher, Menschen, die am Rande der Gesellschaft lebten.

Weisbecker war einer von ihnen, doch im Unterschied zu seinen Freunden begann er zu schreiben. Eines seiner Bücher, "In Search of Captain Zero", verglich die Los Angeles Times mit Jack Kerouacs "On the Road". In "Captain Zero", geht es - natürlich - ums Surfen.

In Hollywood war man begeistert. Sean Penn und John Cusack, beide Schauspieler und Produzenten, kauften Weisbecker die Rechte für jeweils eines seiner Bücher ab, obwohl Weisbecker damals schon der Meinung war, dass in einem der beiden, "Captain Zero", überhaupt kein Stoff für einen Film stecke. Weisbecker schlussfolgert heute: "Die sind nicht sehr schlau da drüben!" Er hat den Pick-up vor seinem Haus in Montauk geparkt - die Türen des Hauses stehen immer offen - und sich im Wohnzimmer auf sein Sofa gesetzt. Er lehnt sich zurück, der Ventilator bläst ihm Luft durch die Siebziger-Jahre-Frisur, als stünde er gerade auf einem Surfbrett.

Da ihm die Menschen aus Hollywood aber sehr bald auf die Nerven gegangen seien, habe er beschlossen, all das, sein Leben mit dem Meer und mit Hollywood, aufzuschreiben, erzählt er. Er nennt es seine Memoiren. Sein drittes Buch. Ein Buch der Abrechnung. Deshalb dauerte es auch nicht lang und Sean Penn, der seinen Film immer noch nicht herausgebracht, aber von Details der Memoiren gehört hatte, schickte Weisbecker eine verärgerte E-Mail, in der er ihm "Something resembling death" wünschte, also etwas, das dem Tod ähnele. Weisbecker zauderte nicht lang und bezeichnete Sean Penn als einen "Shitball motherfucker with his head up his ass".

Warum wollte man in Hollywood unbedingt die Buchrechte kaufen? "Captain Zero", ein autobiografisches Buch, gibt unverblümten Einblick in die Welt der Surfer, in Weisbeckers Welt, in der Drogen bald genauso wichtig wurden wie das Surfen selbst. Ja, das eine ohne das andere gar nicht mehr auskam. Denn: "Ein echter Surfer hat keinen echten Job!" Da Weisbecker infolgedessen das Geld ausging, begann er in den Siebzigern Drogen zu schmuggeln.

Weisbecker ist also nicht nur ein Surfer, ein Autor, er ist auch der Bad Boy, dessen Verbrechen so lange zurückliegen, dass sie längst verjährt sind. Hollywood findet so was klasse.

Eines Tages also machte sich Weisbecker daran, Drogen zu schmuggeln. Das war, nachdem er und sein Freund festgestellt hatten, dass sich ein Pfund Haschisch in Marokko für 40 Dollar einkaufen und in den USA für 1000 Dollar verkaufen ließ.

Vor der Küste Montauks schaukelte damals ein Bananenfrachter im Meer, ein Boot, das schon mehrmals zum Transport fragwürdiger Dinge verwendet wurde. Mit diesem Bananenfrachter machten sich die beiden auf neue Schmuggelwege. Weisbecker schreibt in "Captain Zero": "Anfangs nannten wir es einfach: das Boot. Später dann, als wir seinen chronischen Eigenheiten und Nervereien unterworfen waren, nannten wir es: das Scheißboot."

Bei dem Scheißboot funktionierte bald überhaupt nichts mehr. Aber irgendwie schafften es die beiden doch, mit zehn Tonnen Haschisch an Bord im Segelyachtmekka der Ostküste einzulaufen. Natürlich wollten sie das so unauffällig wie möglich machen, doch zwischen all den gewienerten Segelschiffen sah das Bananenboot mehr als auffällig aus: Es war schon unzählige Male umlackiert worden und diverse Farbschichten blätterten in Fetzen ab. "Das Scheißboot", sagt Weisbecker, "sah aus wie ein verdammter Jackson Pollock!"

Weisbecker machte trotzdem eine Menge Geld. Und immer mehr. Erst fuhr er einen Porsche, dann flog er im Privatjet. Heute sagt er: "Es war einfach lächerlich. Wir hatten vergessen, wer wir waren, warum wir mit dem Drogenschmuggel angefangen hatten. Ich wollte ja im Grunde meines Herzens einfach nur weitersurfen können."

Das waren die Siebziger. Die gute Zeit. Es war aber auch die Zeit, in der die so genannten Longboards, mit denen sich eine Welle auf einfache Weise nehmen ließ, durch die Shortboards abgelöst wurden. Surfen war mit einem Mal kein Geheimnis mehr, Surfen wurde ein Massensport. "Es war ein Albtraum", erinnert sich Weisbecker. Statt einsam im Meer zu treiben, um auf die perfekte Welle zu warten, ragten nun überall zahllose Köpfe wie Bojen aus dem Wasser.

Natürlich waren das in den Augen der Hippiesurfer keine echten Surfer, sondern Bürohengste, die am Wochenende ein bisschen Freiheit schnuppern wollten oder Frauen beeindrucken oder beides. Die wahren Surfer nämlich, die, die die Frauen wirklich bewunderten, zogen sich zurück, suchten bislang unberührte Plätze und noch bessere Wellen auf Hawaii oder in Lateinamerika. Sie waren wie Vagabunden mit einem Wohnmobil, das immer auch Platz bot für ein Beachgirl.

Vagabunden, die älter wurden. Und irgendwann wieder nach Hause zurückkehrten, nach Montauk zum Beispiel, um dort mit alten Freunden abzuhängen. Wie Weisbecker.

Im Grunde genommen ist Montauk ziemlich verschlafen. Auf der hölzernen Hafenpromenade stehen Amerikaner in glatt gebügelten Hemden und beigen Shorts. Fischer legen tote Fische aus, mit offenen Mündern und Blut an den glänzenden Schuppen. Es passiert hier: nahezu null. Aber weit draußen im Atlantik bauen sich beachtliche Wellen auf, die es hin und wieder an die Küste von Montauk schaffen.

Die alternden Surfer packen dann Hund und Board auf ihren Pick-up und fahren zum Strand. Es ist eine Clique von Endfünfzigern, deren Frisuren und breite Schnauzer immer noch aussehen wie zu den bekifftesten Hippiezeiten. Sie arbeiten als Fischer, bauen Surfboards oder sammeln welche. Sie trinken gemeinsam Rum, bewahren ihr Marihuana in Einmachgläsern auf und streiten sich heute noch über Dinge, die 35 Jahre zurückliegen. "Wir waren wilder als die Surfer heute und sind es noch", sagt Jim, ein Freund von Weisbecker. Jim ist Ende 50 und raucht einen Joint. "Wir haben perfekte, abgefahrene Wellen geritten. Kein Scheiß!"

Weisbecker, seit Anfang der Achtziger aus dem Drogengeschäft raus, erzählt: "Wenn ich weitergemacht hätte mit dem Drogenschmuggel, wäre ich irgendwann im Gefängnis gelandet oder ermordet worden. Also ging ich nach Hollywood." Er schlug sich dort als Drehbuchautor durch, schrieb an seinen Büchern und verkaufte 2001 für 500 000 Dollar die Filmrechte. Von dem Geld kaufte er ein Haus in Costa Rica, entdeckte dort aber anstelle eines Paradieses nach und nach den "Horror": Streit um Land, bewaffnete Hausbesetzer, Verbrechen, Mord. Paradiesisch waren nur die Wellen. Und Lisa.

Weisbecker hatte Lisa in Montauk kennengelernt, später zog sie zu ihm nach Costa Rica. "Lisa verkörpert die ultimative Weiblichkeit." Weisbecker erzählt das und zeigt ein paar Fotos. Auf einem: Lisa oben ohne in einer Hängematte. Das also ist Lisa: Braune, lockige Haare, gebräunte Haut, 14 Jahre jünger - und Surferin. Es hätte alles so schön werden können, doch zwei Dinge liefen schief: Lisa war untreu, und Weisbecker schrieb das in allen Details in seine Memoiren (Titel: "Can"t you get along with anyone?"). Eines Tages las Lisa das Manuskript - und tobte. Nicht nur hatte Weisbecker ihre Affären aufgelistet, er beschuldigte auch einen Mann des Mordes, dem Lisa nahe stand. Weisbecker: "Lisa hat das Manuskript dem Mörder gezeigt. Die beiden wollten mich umbringen!"

Weisbecker floh also aus Costa Rica, zuerst nach Tobago, dann zurück nach Montauk. Zu seinen Surffreunden, an den östlichsten Zipfel Long Islands.

Dort dreht und wendet er die Sache mit Lisa hin und her. "Sie ist eine Soziopathin!", schimpft er, "Wenn ich mal ermordet werde, dann war es Lisa, das können Sie mir glauben."

Er kratzt sich mit der Hand im graublonden Haar, packt "Honey" auf den Pick-up. Und natürlich auch das Surfboard. "Honey" ist etwas zu dick, Weisbecker hat ein paar Kilos zu wenig auf den Rippen - die beiden sind nicht das, was Frauen träumen lässt. Aber irgendwie, ja, sehen die zwei niedlich aus.

© Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.185, Samstag, den 12. August 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: