Porträt der Playboys:Der Mann, den die Frauen liebten

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Playboys gibt es nicht mehr. Schade. Denn ihr Stil ist heute noch vorbildlich. Wir haben Hinweise von einem, der es wirklich wissen muss: Ein Besuch bei Gunter Sachs.

Holger Liebs

Zum Beispiel Harry Shell, Formel-1-Pilot. Er lag beim Grand Prix von Monaco schon aussichtslos zurück, "da ließ er", erzählt Gunter Sachs, "mitten im Rennen vor dem Hotel de Paris die Bremsen quietschen, sprang unter Applaus aus seinem Boliden, setzte über das Geländer, bestellte noch in der Luft einen Gin Tonic und ließ sich auf einen Terrassenstuhl fallen".

Auf dem Medienboulevard war weiterhin vom "Playboy" Gunter Sachs die Rede, und tatsächlich fingen seine glamourösesten Abenteuer damals erst an. Doch der "Playboy" an sich war längst im Begriff, zu einer historischen Figur zu werden. Sachs, hier mit Brigitte Bardot zu gemeinsamen Ehezeiten. (Foto: Foto: AP)

Shell starb 1964 auf dem Nürburgring in einem Ferrari.

Oder Prinz Ali Khan, Sohn des Aga Khan II., der mit Rita Hayworth verheiratet war. Sein Chauffeur saß meistens im Fond, während der Sprössling der Ismailiten den Wagen lenkte. Sachs: "Ali Khans letzte Worte, mit gedrehtem Kopf an den Bediensteten gerichtet, waren: ,Julien, vergessen Sie nicht, morgen essen wir bei Baron Guy de Rothschil ...'"

Ali Khan starb 1961 im Bois de Boulogne in einem Ferrari.

Genauso wie vier Jahre später an Ort und Stelle, auch in einem Gefährt aus Maranello, Porfirio Rubirosa, den viele für den wichtigsten und letzten echten Playboy halten. Gunnar Nelson und der Marquis Alfonso de Portago kamen gemeinsam 1957 auf der Mille Miglia ums Leben. In einem ... genau.

Fünf aus einem knappen Dutzend. Von ihnen lebt heute, 92-jährig, nur noch der Modeschöpfer Oleg Cassini, der einmal in seinem Leben zu spät kam: Als er Grace Kelly am Set des Films "Über den Dächern von Nizza" einen Heiratsantrag machen wollte. Sie war, wie ihm Cary Grant mitteilte, 15 Minuten zuvor von einem Rolls Royce mit monegassischem Staatswappen abgeholt worden.

Auch das kann man von den Playboys, diesen Herrschern einer fernen Zeit, lernen: Sie konnten ihre Geheimnisse für sich behalten. (Foto: Foto: Fichtel & Sachs)

Geschwindigkeit war ihr Lebenselixier, Raserei ihre Schwäche, aber sie brannten lieber lichterloh, statt sanft auszuglühen. Denn, wie es Teddy Stauffer, ebenfalls einer des Gentlemen's Club, in seinen Memoiren "Forever ... is a hell of long time" im Jahr 1967 formuliert hat, es gibt nur ein Erfolgsrezept für den Playboy: "Nichts halb tun!" Das galt beim Geld wie bei Liebe. Stauffer widmete das Buch "Alberta, Alice, Amparo, Antoinette, Barbara, Bella" und so weiter, bis zum Namen hundertdrei: "Zita". Der Entertainer betonte, dass er nie mit zwei Damen gleichzeitig liiert war.

Playboy, in diesem Begriff schwingt heute etwas von angegammelten Bars mit, in denen die Verschlüsse der Scotchflaschen verkrustet sind. Oder man assoziiert Miss August aus Lüdenscheid. Oder Rolf Eden. Tja. Gunter Sachs seufzt. "Ja, das waren noch Gentlemen damals. Heute darf sich jeder Wäschereibesitzer 'Playboy' nennen. Da lief diese Fernsehsendung, und ein Mann sagte in die Kamera, ,Ich knack' jede Nacht 'ne andere'. Und der TV-Schirm zeigt den Untertitel: ,Playboy Heinz Muckemann'. So etwas trifft mich schon."

Das ist nett gesagt und im Übrigen nicht böse gemeint, liebe Wäschereibesitzer. Aber Sachs äußert sich nicht als Clubmitglied. Überhaupt betont er: "Das war kein eingetragener Verein. Die Playboys lebten nicht eng zusammen. Doch wenn sie sich trafen, war es ein Fest." Er muss es wissen. Er hat bis auf einen alle gekannt: Bei Shells spontanem Boxenstopp saß er unter den Zuschauern im Hotel de Paris. Mit Rubirosa verband ihn eine enge Freundschaft. Nelson und der Marquis de Portago, die ihre Rennen bis zum Ende immer gemeinsam bestritten, waren die Trauzeugen von Sachs' erster Ehe. Stauffer schließlich hat Sachs, unter anderem mit Brigitte Bardot, oft in dessen Nachtclub in Acapulco besucht.

War er am Ende vielleicht doch einer von ihnen? Die Presse ist sich da seit Jahrzehnten einig. Im Lebenslauf des Industriellen und Fotografen tauchen einfach die richtigen Namen auf. Warhol, die Kennedys, Soraya - und natürlich Brigitte Bardot. Die Rosen-Story. Wie Sachs erst tausend Rosen besorgte, sie aus dem Helikopter über BBs Anwesen abwarf und dann selbst ins Meer sprang, die Louis-Vuitton-Holzkoffer in den Händen. "Der französische Pilot war cool, wie man heute sagen würde. Er machte mit. Aber eins müssen Sie sich merken: Der Held hält nie lange bei Frauen. Die Bardot war zwar erst einmal entzückt. Aber dann beschwerte sie sich, dass in ihrem Garten überall Rosen herumlagen."

Eine amerikanische Zeitung hat Sachs mal "German society figure" genannt. Das trifft es ganz gut: Er war für die wohlstandssüchtige deutsche Nachkriegsgesellschaft eine Projektionsfigur. Weil sie in ihm, neidvoll, ihre Sehnsüchte verkörpert fand. Doch wahrscheinlich war er ein besserer Botschafter seines Landes als mancher Politiker. Eine Karikatur seiner Hochzeit mit BB, die 1966 in Las Vegas stattfand, besitzt Sachs noch heute. Sie zeigt das Brautpaar von den Trauzeugen de Gaulle und Erhard gerahmt. Die Herren lächeln selig.

Sachs, der sich 1969 von der Bardot trennte und seit langem wieder glücklich verheiratet ist, fotografiert, wie seit Jahrzehnten, meistens unbekleidete Damen in zauberhaften Landschaften. Er sitzt mit schlohweißem Haar in seinem Studio "mm14" vor den Toren Münchens, verborgen zwischen kargen Gewerbekisten. Die Halle ist ein veritables Museum, Wendeltreppen führen auf die Dächer silberner Bürocontainer, im Zentrum steht natürlich das Fotostudio, mit großen Metallkränen für die Scheinwerfer, auf dem Dach einer improvisierten Bar hockt eine Armada Plüschtiere in Reizwäsche, Repliken von Andy Warhols Porträt der Bardot lehnen neben Sachs' eigenen Fotografien von Claudia Schiffer an der Wand. Sachs erwarb Warhols "Superman" Anfang der Siebziger für wenige tausend Mark. Kürzlich hat er das Bild verkauft, für einen zweistelligen Millionenbetrag.

Sachs, der Kunstsammler: In der Mitte des Raumes finden sich auch die erotischen Pop-Art-Möbel von Allen Jones, die Sachs' einstiges Apartment im Turm des Palace-Hotel zierten - halbnackte Modepuppen, die auf dem Boden knieend einen Glastisch stützen und auf deren Schenkeln man Platz nehmen kann. Am Eingang eine Wand, auf der gemalte Fledermäuse flattern. Blickt man genauer hin, entdeckt man: Die Tiere formieren sich zu einem Porträt von Sachs, der immer noch Präsident des Dracula-Clubs St. Moritz ist.

Sachs sagt, er sei später als die meisten dieser Playboys geboren. Er benennt genau zehn "Ritter der verlorenen Zeit": Shell, Ali Khan, Rubirosa, Stauffer, Nelson, Marquis de Portago und Cassini, außerdem Freddy McEvoy, einen australischen Boxer, Rennfahrer und Filmschwimmer, der bei einem Sturm vor der Küste von Tanger starb, weil er seine Frau aus einer sinkenden Yacht retten wollte, Prinz Alfonso zu Hohenlohe, ein Sportler-Ass, das Ira von Fürstenberg und Ava Gardner geliebt hat, sowie seinen Freund Gianni Agnelli, den er den "geistreichsten und elegantesten" aller Playboys nennt.

Vielleicht sieht er sich ja doch als Nachgeborenen, als den Benjamin des Clubs, den es eigentlich gar nicht gab. Wie auch immer, dies ist seine Liste. Man könnte sie um andere Frühverstorbene erweitern, etwa um den Prinzen Alexis M'Divani, der 1935 bei dem Versuch, den Schnellzug Paris-Madrid mit seinem Rolls Royce zu überholen, an einem Alleebaum sein Leben ließ. Sachs hat indes ein anderes Kriterium für die Auswahl der Playboys: Wenn Igor Cassini, der Bruder von Oleg, in seiner Kolumne "Cholly Knickerbocker" jemanden zum Playboy ernannt hatte, dann war er einer. Solche Autorität ging von einem aus, der den Begriff "Jet Set" erfunden haben soll - und im Übrigen seine Kolumne an 150 Zeitungen verkaufte.

Geist, Gewitztheit, Übermut, auch Geld musste man besitzen - und Ausstrahlung. "Wenn Rubirosa den Raum betrat, ging die Sonne auf", sagt Sachs. "Und wenn die Bardot das Gleiche tat, aber schlechtgelaunt, dann erfror alles. Woran liegt das? Man weiß es nicht." Fest steht: Das süße Leben der Playboys, das war vor allem eine beliebte Kolportage-Story der sechziger Jahre, verbunden mit Orten wie Marrakesch, Biarritz, St. Moritz und St. Tropez, mit schönen Frauen und ausschweifendem Lebensstil.

Doch was Magazine wie Quick damals atemlos erregten Bundesrepublikanern zu apportieren pflegten, hat nicht viel mit den Typen zu tun, um die es hier geht. Sie waren nicht nur die "Riviera-Nichtstuer", wie ein Buch über sie betitelt ist, sondern hartgesottene Überlebenskünstler und ästhetische Existenzen, die meist schon vor dem Zweiten Weltkrieg ins Licht der Casinos und Baccara-Tische traten. Sie waren nicht wirklich für das Berufsleben geschaffen, aber beherzigten noch die Sitte, dass man einer Dame die Tür aufhält. Und sie waren schlau genug, sich andere Wege zu suchen, um an das für ihre Abenteuer dringend benötigte Geld zu kommen. Reiche Ehegattinnen waren dabei mitunter hilfreich. Aber sie mussten erst einmal erobert werden, und zwar so, dass sie ihren Eroberern komplett verfielen - und dabei vollkommenes Glück verspürten. Berühmt wurde Rubirosas Ausspruch "Arbeit? Ich habe keine Zeit für Arbeit." Fünf Ehefrauen und Zsa Zsa Gabor dankten "Monsieur toujours prêt" seinen unermüdlichen Liebeseifer mit wahren Lobesarien.

Die Playboys waren meist keine Nabobs und Berufserben, die sich an den Paradiesstränden dieser Welt herumlümmelten. Sie arbeiteten, wie Agnelli und Sachs selbst, bisweilen unermüdlich, tauchten ab, doch in den Sommermonaten fand, sagt Sachs, regelmäßig "das Wunder von Loch Ness" statt: Sie tauchten wieder auf, sahen und siegten und wurden gesehen.

Einige Playboys durchlebten die Kriegswirren und manches andere, auch pekuniäre Tiefs, denn sie wuchsen oft nicht in gemachten Betten auf. Oder sie hatten wieder mal alles für eine Geliebte ausgegeben, aber das merkte man ihnen nicht an. Sie beherzigten und beherrschten, was schon Baldassare Castiglione in seinem Buch "Il Libro del Cortigiano" im Jahre 1528 als Leitbild des Renaissance-Hofmannes beschrieb: die Sprezzatura, das heißt das Ausüben einer Tätigkeit ohne ersichtliche Anstrengung, außerdem schlagfertige Konversation, Eleganz, Bildung und, das vor allem, gewandten Umgang mit Frauen.

Es ging um die Haltung. Sachs erzählt, dass sein peruanischer Freund Enrico Miro Quesada in den Vierzigern wegen einer Dame in Lima zum Duell gefordert wurde. Die Duellanten schritten aufeinander zu, Quesada verfehlte sein Ziel, sein Gegner setzte ihm die Waffe auf die Brust und forderte, auf Französisch: "Nun entschuldigen Sie sich". Quesada antwortete: "Mais tirez donc, vieux con!" ("Nun schießen Sie schon, Sie altes A...!") So geschah es. Quesada überlebte immerhin knapp.

Der Begriff "Playboy" taucht erstmals 1828 im Oxford English Dictionary auf. In der Definition dort heißt es: "ein Mensch, besonders ein wohlhabender, der darauf aus ist, sich zu erfreuen"; "ein selbstsüchtiger Genusssucher". Der Erste, auf den der Begriff in den Vierzigern des 20. Jahrhunderts gemünzt wurde, war natürlich Rubirosa. Eines der hartnäckigsten Vorurteile über die Playboys ist immer noch, dass sie versnobte Dandys gewesen seien. Doch der Dandy verachtete das Leben, er war eine überzüchtete Figur aus den schwülen Salons des 19. Jahrhunderts, der Walter Benjamins Wort beherzigte, dass die "Langeweile ein warmes graues Tuch" sei, das "innen mit dem glühendsten farbigen Seidenfutter ausgeschlagen" sei. Der Playboy war kein gleichgültiger Ironiker, er war ein Feind der Langeweile, er verkörperte das Gesetz des Handelns. Er war kein ins Leben vernarrter Esel und doch für jeden herrlichen Unsinn zu haben. Ein Glücksritter eben, ein Kavalier und Hasardeur.

So wie Teddy Stauffer, der als Swing-Kapellmeister europaweit erfolgreich war und selbst während der Olympischen Spiele 1936 noch in der Reichshauptstadt Berlin die verbotene "Judenmusik" aus Amerika spielen durfte - bis der Schweizer Stauffer, wie so viele, bald darauf das Land verlassen musste. Stauffer versuchte sich in Amerika erfolglos als Hotelier, freundete sich mit Errol Flynn an, heiratete Hedy Lamarr und erbaute in Acapulco mit gepumptem Geld aus den angeschwemmten Trümmern des "Meuterei auf der Bounty"-Filmschiffes an der Steilküste von Quebrada den Nachtclub "La Perla", der in einer Vollmondnacht im Dezember 1949 eröffnet wurde und erst den Mythos Acapulco und danach den modernen Tourismus in Mexiko begründete. "Stauffer führte auch das Hotel ,Villa Vera', das war gleich nebenan", so Sachs. "Dort übernachteten vor allem Stewardessen der Linien PanAm und Lufthansa. Es wurde viel geheiratet damals."

Shell, Rubirosa, Ali Khan und die anderen mögen ihrer eigenen Geschwindigkeitssucht zum Opfer gefallen sein, aber ihre Zeit war in den Sechzigern ohnehin vorbei. Die sexuelle Befreiung, der Tourismus und die Popkultur machten massenhaft verfügbar, was vordem das Privileg von wenigen gewesen war. Auf dem Medienboulevard war weiterhin vom "Playboy" Gunter Sachs die Rede, und tatsächlich fingen seine glamourösesten Abenteuer damals erst an. Doch der "Playboy" an sich war längst im Begriff, zu einer historischen Figur zu werden.

Sicher, glamouröse Grenzüberschreitungen finden immer noch statt. Aber irgendwie ist es nicht dasselbe, wenn heute ein Künstler mit Prostituierten und Kokain in einem Hotelzimmer erwischt wird. Sachs fällt dazu eine Losung ein: "Gouverner, c'est prévoir" - Regieren heißt vorausschauen. Denn auch das kann man von den Playboys, diesen Herrschern einer fernen Zeit, lernen: Sie konnten ihre Geheimnisse für sich behalten.

Man darf nur eben so viel sagen, dass das Rätsel gewahrt bleibt, die Sprezzatura weiter wirkt. "Was machen Sie", fragte ein Reporter einmal Rubirosa, "wenn Sie eine schöne Frau kennen lernen?" "Ich bitte sie um eine Verabredung. Wenn sie möchte, sagt sie zu." "Hat schon einmal eine ,nein' gesagt?" - "Seien Sie kein Idiot, junger Mann."

Gunter Sachs, "Mein Leben", 424 Seiten, 24,90 Euro, erscheint am 2. November 2005 im Piper Verlag, München.

© SZaW v. 29./30.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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