Pop in Deutschland:Seid ihr mit uns?

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Die Nation stellt ihr Heimatgefühl in Frage und da wollen die heimischen Sangeskünstler nicht nachstehen: Die deutsche Poplinke um Blumfeld & Co. diskutiert, was eigentlich noch links ist.

Von Dirk Peitz

Der Auftritt entbehrt nicht eines gewissen Pathos. "Aus gegebenem Anlass" heißt es auf der Website von Blumfeld, sehe sich die Band zu einer "Stellungnahme zum Thema ,Deutschland. Nation. Heimat und Popmusik' verpflichtet." Blumfeld, muss man wissen, sind die prominenteste Band einer in den letzten Jahren eher amorph gewordenen Szene, die sich unter dem Begriff der deutschen Poplinken subsummieren lässt.

Entstanden ist diese zu Beginn der 90er Jahre, als Gruppen wie eben Blumfeld, Die Sterne und Tocotronic - die damals so genannte Hamburger Schule - ihre ersten Platten veröffentlichten, während parallel dazu unter dem Eindruck rechtsextremer Gewalttaten in Deutschland sich linke Kulturschaffende etwa bei den so genannten "Wohlfahrtsausschüssen" gegen die damalige Neue Rechte artikulierten.

Dagegen: Rolle des linken Sprachrohrs

Ein Spezifikum der Poplinken-Musiker war von Beginn an, dass sie, anders als die Generationen linker Bands und Liedermacher davor, fast nie politisch explizite Stücke veröffentlichten. Gegen die Rolle des linken Sprachrohrs hat sich insbesondere Blumfeld-Sänger Jochen Distelmeyer stets gewehrt.

Die politischen Konnotationen seiner Texte, in denen zuletzt Begriffe wie "das System" poetisch durchdrungenen wirkten inmitten von hochgradig selbstreflektierter Lyrik, sollten Verweis genug sein. Dass sich auf diese grandiose Pop-Poesie auch Bands beziehen, die Blumfeld anscheinend für politisch anders denkend halten, führte nun zu der Stellungnahme.

Dort heißt es scharf: "Wie aus unserem Schaffen und Verhalten klar erkennbar sein sollte, haben wir es stets abgelehnt, uns in die heimatduselige Front all derer einzureihen, die es für angebracht halten, sich in ihrem Denken, Fühlen, Singen und Handeln positiv auf Deutschland (als Kulturnation und Heimat) zu beziehen."Außerdem verwehre man sich gegen jeden Versuch anderer, "Blumfeld als Vordenker für die Anbiederung an ein deutschtümelndes (Massen-)Publikum missbrauchen bzw. denunzieren zu können"; man stehe "für derartigen Populismus und Vaterlandsliebe jedweder Art nach wie vor nicht zur Verfügung."

Das sitzt, und sorgt in den Internet-Foren etwa von Spex oder Intro für erheblichen Gesprächsstoff. Gemeint ist die Stellungnahme offenkundig als Abgrenzung einerseits gegenüber solchen Acts, die in Texten, Musik oder Auftreten mit nationaler Ästhetik flirten wie etwa Rammstein, Witt und zuletzt van Dyk/Heppner; andererseits aber auch gegenüber jüngeren, als eher unpolitisch geltenden Bands wie Mia und Virginia Jetzt!.

Erstere haben sich durch ihre Beteiligung an jüngsten Versuchen von Magazinen und Plattenfirmen, Deutschsein für cool zu erklären, Ärger eingehandelt - und mit ihrem Lied "Was es ist", dessen Text mit den Worten Schwarz-Rot-Gold spielt. Immer wieder werden Mia-Konzerte nun abgesagt, weil linke Gruppen im Vorfeld zu Störaktionen aufrufen.

Den unmittelbaren Anlass für die Blumfeld-Stellungnahme aber lieferten anscheinend Virginia Jetzt! mit einem Stück von ihrem neuem, in dieser Woche erschienenen Album "Anfänger". In "Liebeslieder" taucht ein eingedeutschtes Zitat Randy Newmans auf: "Mein Land, meine Menschen, die Welt, die ich verstehe." Problematisch aus Sicht von Blumfeld wurde die Textpassage des der Heimatduselei unverdächtigen Newman wohl deshalb, weil Virginia Jetzt! in einem Beitrag zu ihrer Platte für das Magazin Musikexpress erwähnten, dass ein Distelmeyer-Interview sie auf das Zitat aufmerksam gemacht habe.

Gefühle und Sprache

Der Virginia-Jetzt!-Texter Thomas Dörschel sagt nun, dass die Band durchaus darauf gefasst gewesen sei, damit womöglich entsprechende Reaktionen auszulösen. Deshalb auch habe man das Zitat als solches kenntlich gemacht. Zudem handele das Lied nicht von Nationalstolz, sondern vom künstlerischen Scheitern daran, Gefühle in Sprache zu übersetzen: "Es ging mir mit dem Zitat nicht darum zu behaupten, man dürfe in Deutschland bestimmte Dinge nicht aussprechen - sondern dass man es in der deutschen Sprache einfach nicht vermag, auch weil wir aufgrund unserer Geschichte für bestimmte Worte wie ,Heimat' so sensibilisiert sind."

Es gebe dieses Gefühl von Heimat nun mal aber, und das beziehe sich in seinem Fall auf einen Ort, wo seine Freunde und Familie leben: "Deshalb stehe ich diesem Land doch nicht unkritisch gegenüber."

Und dennoch, so Dörschel, nehme Virginia Jetzt! als Band für sich in Anspruch, zunächst nicht politisch zu sein - auch wenn die Mitglieder selbst sich als eher links empfänden. Was links aber heute genau sein könnte, weiß auch Dörschel nicht zu sagen. Es scheine ihm jedoch klar, woher diese neuerliche Links-Debatte rühre: "Wir haben dafür nur eine Erklärung - es muss ein Generationsproblem sein. Wir sind mindestens zehn Jahre jünger, sind nach der Wende sozialisiert worden und mussten andere Kämpfe ausfechten."

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