Polizeiruf-Folge:Hinrichs' Tierleben

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Die "Polizeiruf"-Reihe begeistert immer wieder, für ihre Lockerheit war sie bisher allerdings nicht bekannt. Das ändert sich mit dem neuesten Fall aus Schwerin.

Tilmann P. Gangloff

Es gibt vermutlich nicht viele Gründe, dem Fernsehen der DDR heute noch dankbar zu sein; aber die Übernahme der Reihe Polizeiruf 110 hat dem ARD-Programm ohne Frage gut getan. Gerade die Polizeiruf-Krimis aus München (BR) und Schwerin (NDR) sind oft besser als jeder Tatort, weil die Konzepte nicht so starr und die Autoren freier im Spiel mit den Figuren sind. Die Krimis aus Mecklenburg-Vorpommern, von Beate Langmaack (Grimme-Preis 2005) zur Blüte geführt, waren allerdings stets geprägt von einer gewissen melancholischen Düsternis.

Polizeiruf-Ermittler: Hinrichs (Uwe Steimle) und Tellheim (Felix Eitner) bei ihren Übungen in Sachen Lockerheit (Foto: Foto: dpa)

Davon ist Farbwechsel weit entfernt, obwohl der Film alles andere als ein heiteres Thema behandelt. Aber Buch (Rolf Greulich) und Regie (Hans-Erich Viet) gewinnen dem Duo Hinrichs/Tellheim (Uwe Steimle, Felix Eitner) diesmal geradezu komödiantische Seiten ab. Das gilt naturgemäß vor allem für die Darbietungen von Uwe Steimle, der in diesem Metier nicht ganz unerfahren ist, weil er nebenher als Kabarettist auf der Bühne steht.

Wenn sich Hinrichs beispielsweise am Telefon hartnäckig als "Teilnehmer" meldet (ein Insider-Gag für Zuschauer mit DDR-Erfahrung), an einem Bonsai-Bäumchen herumschnippelt oder über die einheimische Fauna doziert, schimmert stets Parodie durch.

Dabei ist die Handlung kein bisschen witzig: In einer Kleinstadt haben zwei türkische Imbissbuden gebrannt, ein vietnamesischer Junge ist übel verprügelt worden, und tags drauf stirbt ein Großhändler. Natürlich hängt alles irgendwie zusammen. Doch während sich Tellheim noch freut, endlich eine alte Rechnung mit einem osteuropäischen Schutzgelderpresser zu begleichen, dem er die Schuld am Tod seiner Schwester gibt, deutet immer mehr darauf hin, dass die Täter im Umfeld eines Heimatvereins zu suchen sind.

Hinrichs wagt sich zu den Verdächtigen, um einen Vortrag über die vom Aussterben bedrohte Sumpfschildkröte zu halten, und sieht sich nicht nur interessierten älteren Herrschaften, sondern prompt auch einem Haufen stiernackiger, stumpfsinniger Zeitgenossen gegenüber, die selbstredend als Brandstifter in Frage kommen. Bald zeigt sich zudem, dass die ehrenwerten Motive des Vereinsvorsitzenden zumindest zweifelhaft sind: Der Mann hat eine Bürgerwehr gegründet, um die Gastronomie angeblich vor Erpressern zu schützen.

Neben diversen dramaturgischen Pretiosen am Rande der Handlung bietet auch neues Personal einige Erheiterung: Hinrichs und Tellheim, bislang mehr oder weniger autonom, bekommen eine Chefin, Carla Knechthammer (Christine Schorn), die von der Schweriner Presse als "Kriminalistin mit entwaffnendem Humor" vorgestellt wird; und Tellheim flirtet auf ganz eigene Weise mit der neuen Pathologin Dr. Niethnagel (Katharina Heyer).

Polizeiruf 110 - Farbwechsel, ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

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