Pink Floyd in Concert - unerwartet:Das Schwein von der dunklen Seite des Mondes

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Erstmal: Hallelujah! Pink Floyd, die Wunderformation aus alten Männern, die sich seit ihrer späten Jugend abgrundtief hassen, tun es noch einmal. Sie spielen für ein einziges Konzert wieder gemeinsam auf - und werden sich dabei gewisslich nicht in die Augen schauen.

ALEXANDER GORKOW

Absolut unglaublich: "Pink Floyd" tun es noch einmal

Auferstanden aus Ruinen ... (Foto: N/A)

Aus England kommt die Nachricht, dass Pink Floyd am 2. Juli in Londoner Hyde Park als Teil des Live-8-Konzertes in Originalbesetzung auftreten werden. Das ist ein fast so unglaublicher Spezialeffekt wie, sagen wir, ein fliegendes Schwein über der Battersea Power Station in London oder wie ein Echobass samt Ansager: "One of these days I am going to cut you into little pieces!"

So, und nun erstmal: Hallelujah.

Und jetzt weiter im Text: Über die Jahre erlebte man tolle Sachen, wenn man den ehemaligen Pink-Floyd-Anführer Roger Waters in seinem Londoner Stammhotel besuchte, und dann den Gitarristen der Band, den Weltsphärengroßmeister Sir David Gilmour, auf seinem umwerfend schönen Mahagony-Hausboot "Astoria" auf der Themse. In beiden Fällen traf man auf Herren, die um die 60 Jahre alt und mit dem Leben eigentlich versöhnt sind. Man trank Tee, beim sonoren Gilmour Earl Grey, dazu spielte der Meister ein wenig auf der Akustischen, auf Halshöhe schickte am Fenster und im Sonnenlicht die Themse würdig rudernde Kanuten vorbei. Quiet desperation is the English way . . . Beim vom Leben geräuchert wirkenden Waters trank man den dementsprechend exzentrischeren Lapsang-Souchong-Tee, und während man mit Gilmour über Architektur und seine antike Flugzeugsammlung sprach, waren die Themen bei Waters gleich mal politischer, giftiger. Jedenfalls sind beide Herren, wenn sie mal reden, ein Segen, denn ihr Sarkasmus ist derart geschliffen, dass man hinterher beim Abhören des Bandes nichts wegkürzen muss. Noch etwas einte beide, oh ja: eine vulkankratertiefe Abneigung vor dem jeweils anderen.

Auf dem Hausboot verließ Gilmour vor ein paar Jahren in exakt jenem Moment die Contenance, als ihm einer der anwesenden Journalisten zum Abschied das Innencover der Platte "Meddle" (1971) zum Signieren auf den Tisch legte. Gilmour wünschte per Autogramm über seinem Porträt dem Journalisten "all the best" -- und entwertete dann auf demselben Gruppenfoto seinen ehemaligen Kollegen Waters, indem er ihm eine alberne Brille und einen linksliberalen Bart aufmalte. Waters wiederum zischte am Ende eines Interviews mit dieser Zeitung, dass er bitte definitiv nie mehr auf eine Wiedervereinigung mit Gilmour angesprochen werden möchte: "I don't like him! It's so simple!" Er habe Gilmour noch nie gemocht, und er habe nicht vor, zwei Jahrzehnte nach dem Ende der Orginalzusammensetzung von Pink Floyd, damit anzufangen, ihn zu mögen.

Ach, Geld? Gääähn!

Was wir aber in diesen blödsinnig neoliberalen Zeiten von den gottverdammt großartigen Hippies lernen können? Dass es am Ende das Gute ist, was zählt -- und nicht (mehr) das Geld.

Seit den in der Rubrik "Großkonzert" bis heute unübertroffenen "Wall"-Konzerten 1980 und 1981 in Los Angeles, New York, Dortmund und London hat die Band nicht mehr in Originalbesetzung auf der Bühne gestanden. Es gab noch zwei erfolgreiche Pink-Floyd-Tourneen ohne Waters. Es gab einige schöne Solotourneen von Waters, von denen die letzte einer der größten Überraschungs-Kassenerfolge der letzten Jahre war. Es gab lange davor ein Solo-"Wall"-Konzert von Waters und Gastmusikern auf dem noch unbebauten Potsdamer Platz, und man muss sagen, dass dieses Konzert damals fast so grauenvoll klang wie der Platz heute aussieht. Es gab einige brillante Kammermusikabende von Gilmour in der Londoner "Royal Festival Hall", mit Robert Wyatt etwa oder Kate Bush.

Und nun zum Geld: Da exakte Zahlen stets nicht bestätigt werden, wollen wir sie nicht nennen. Aber sagen wir so: Für den sehr mehrstelligen Millionendollarbetrag, den ein amerikanischer Veranstalter für die Rechte an der Verwertungskette nur einer einzigen Original-Pink-Floyd-Tournee in Aussicht stellte, müsste eine mittelgroße Stadt ein paar Jahre überaus heftig stricken. Roger Waters ließ nach solchen Angeboten stets verlautbaren: "I don't need the money." David Gilmour ließ stets verlautbaren: "Pink Floyd are not interested." Das ist natürlich ein Jammer für eine Industrie, die es seit zirka 1980 mit Bands zu tun hat, die nach einem Sommer zurecht wieder verschwinden. Da in der weißen Musik ausschließlich quasireligiöse Hupen wie U 2 oder Coldplay für Umsatz sorgen, kämen die lässigen Dinosaurier von Pink Floyd sozusagen wie eine Manufactum-Filiale mit Umsatzgarantie daher. Aber ach, Geld? Gääähn!

Zur weithin unterschätzten Lakonie dieser Band passt nun die von Waters wie von Gilmour abgegebene Erklärung, wieso man für Sir Bob Geldof doch noch in den Ring steigen werde: angesichts der Probleme in der Dritten Welt seien die Streitereien innerhalb einer Rockband doch relativ nichtig. Fast möchte man sich (mit ihnen) direkt nach ihrem Auftritt in London totlachen. Die größte Seifenoper der Rockgeschichte, der größte Rechtsstreit seit dem Showdown zwischen J.R. und Bobby Ewing geht zu Ende. Vermutlich werden sie nur ein paar Lieder zum Besten geben. Und sie werden sich nicht auffällig anstrengen.

Aber werden sich beim Vortrage von "Wish You Were Here" etwa die Blicke von Sir David Gilmour und Mr. Roger Waters treffen? Werden beide womöglich versöhnlich lächeln? Werden wir exakt dann endgültig den Verstand verlieren?

© SZ vom 14.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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