Pete Doherty zum 28. Geburtstag:Pass auf, Pete!

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Die Glut und die Geier: Heute wird der Skandalrocker Pete Doherty 28 - und hat damit das für Rockstars kritische Alter überwunden. Eine Gratulation und eine mahnende Bildergalerie.

Philipp Wurm

Unter den verlorenen Seelen ist Pete Doherty die verlorenste. Er spritzt vor laufender Kamera Kokain. Wird mit Sicherheit sein nächstes Konzert absagen. Entflieht seiner Immer-mal-wieder-Freundin Kate Moss während des gemeinsamen Urlaubs in Thailand. Hat schon mehrere Entzugsversuche hinter sich. Und auf Fotos sieht er aus wie ein Zombie aus dem Gruselschocker "Dawn Of The Dead": blasses, aufgedunsenes Gesicht, rot geränderte Augen, starrer Blick. Nur der schmierige Schweißschimmer auf seiner Haut kündet davon, dass in diesem Leib noch ein Herz pocht.

Ein Leib, über dem die Geier kreisen: Sie sind fasziniert von Dohertys Verfall, einer abschüssigen Bahn, scheinbar ohne Ausfahrt. Die Geier, das sind die Medien, von Klatsch bis Feuilleton, und die Fans, weiblich oder männlich, meist im Werther-Alter, jung, orientierungslos und voller Lust aufs Kaputte. "Waiting For Pete Doherty To Die" - so heißt folgerichtig auch die aktuelle Hitsingle der jungen britischen Band The Indelicates. Nicht böse ist das gemeint, eher geht es um die nüchterne Beschreibung eines bizarren Kondolierens, zu dem der Anlass noch fehlt.

Doch seit dem heutigen Tag sprechen die Regeln des Rock'n'Roll-Mythos dafür, dass Doherty die Kurve kriegen wird. Er wird nämlich 28 Jahre alt und überwindet somit das für Rock'n'Roller kritische Alter. Mit 27 Jahren gingen die Musiker Brian Jones, Janis Joplin, Jim Morrison, Jimi Hendrix oder Kurt Cobain über den Jordan - ein prominenter body count, der dem Lebensalter seine mythische Aura verleiht. Doherty scheint jedoch zäher zu sein als die Mythologie will: In seinem 28. Lebensjahr war er immun gegen den Exitus, egal, wie formvollendet er die Maximen Selbstzerstörung, Rausch und Entgrenzung auch befolgte.

Was uns einsehen lassen könnte, dass Pete Doherty vielleicht gar nicht der Todeskandidat ist, für den ihn alle halten. Dass er die Kraft haben wird, zu seiner ureigensten, leider ziemlich in Vergessenheit geratenen Berufung zurückzufinden: die britische Popmusik zu retten. Dafür ist er schließlich angetreten, als er Ende der 90er-Jahre, noch nicht ganz so ramponiert, mit seinem damaligen Kompagnon Carl Barat die Libertines gründete, sein erstes, schnell erfolgreiches Projekt. Da waren Romantiker am Werk, die dem Pop das Fieber, die Emphase und die Spontaneität zurückgaben. Mögen seitdem großartige Bands wie Franz Ferdinand oder Maximo Park aufgetaucht sein, die mitreißendsten Songs hatten die Libertines auf ihren Platten "Up The Bracket" (2001) und "Libertines" (2004). Selbst in Dohertys aktueller Band, den Babyshambles, einem chaotischen, drogenverseuchten Haufen, blitzen manchmal virtuose Momente durch.

Der Schrumpfrocker

Ein Pädagoge würde zu Pete Doherty sagen: Besinne dich auf dein künstlerisches Talent! Es würde sich so lohnen! Für dich und für all die Hörer da draußen, die dein Feuer vermissen! Gib die Drogen auf! Wir würden uns diesem Pädagogen anschließen und motivationsverstärkend rufen: Jetzt, da du die 27 hinter dir gelassen hast, stehen die Chancen gut wie nie! Lass die Geier nicht mehr kreisen, verscheuche sie, indem du nicht mehr nach Tod aussiehst!

Pete Doherty wäre dann kein am Abgrund taumelnder Desperado mehr, kein verruchter Anti-Held der Klatschspalten. Paparazzi würden von ihm ablassen, ebenso sinnsuchende kleine Mädchen. Und Kate Moss würde ihm womöglich für immer davon laufen. Denn steckt in ihrer verzweifelten Liebe zu Doherty nicht auch etwas von der Lust am Morbiden und Hoffnungslosen?

Ein gesunder Pete Doherty würde schrumpfen - aber das macht nichts. Er wäre dann nämlich wieder Musiker, nicht mehr und nicht weniger: Er wird den Rock'n'Roll nicht neu erfinden, aber er wird seine Glut erhalten.

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