"Passion Christi":Jesus Underdog

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Gibsons Radikalität fordert ihren Tribut: Schock und Skepsis begleiten den Filmstart von Mel Gibsons Passionsverfilmung.

Von Fritz Göttler

Ein Fest der Kinoeffekte. Das dumpfe Dröhnen, wenn auf dem Weg nach Golgatha das Kreuz dem geschundenen Christus von der Schulter rutscht und auf den Boden kracht. Der Hammer, der die Nägel in die Hände am Kreuzbalken treibt und das Blut hoch aufspritzen lässt. In Zeitlupe fliegt der Beutel mit den Silberlingen, den die Pharisäer Judas versprochen haben, auf den Verräter zu ...

Mel Gibson mit Christus-Darsteller Jim Caviezel am Set. (Foto: Foto: AP)

Eine tour de force hatte Mel Gibson mit seiner "Passion" versprochen, eine radikalrealistische Darstellung der Leiden Christi - ohne Rücksicht auf die Schmerzgrenze seiner Zuschauer. Eine Radikalität, die nun, da der Film in den Kinos ist - an die 4000 in den USA -, ihren Tribut fordert.

In den ersten Vorstellungen in Australien haben offenbar viele Zuschauer vor Ende der Vorstellungen das Kino verlassen. In Vorabaufführungen für Kirchengemeinden in New York und anderen Großstädten der USA war den Besuchern beim Verlassen der Kinos Betroffenheit im Gesicht abzulesen. "Ich stand kurz vor einer Ohnmacht. Diese Bilder vom blutenden Jesus am Kreuz werden mich nie wieder loslassen", wird die 48-jährige Verkäuferin Rosalia Gomez zitiert.

Die Kritiker reagieren mit Skepsis - und an die Stelle des Vorwurfs des Antisemitismus rückt plötzlich der eines blutigen Sadismus. Der Film ist depressiv, schrieb die NewYork Times: "Es tut weh, einen Film zu sehen, der mit offenkundiger, überschwänglicher religiöser Überzeugung gemacht wurde und dem es dabei so schrecklich an Würde fehlt."

Richard Corliss im Magazin Time sieht den Film als Filmkritiker: "Wie die meisten Filme zieht dieser den Underdog vor, den einsamen Helden, der gegen die Mächtigen angeht. Gibsons Jesus ist ein traditioneller Kinorebell ... ein Gott, der sich in seine menschliche Seite verliebt hat - nur der Tod kann seine Göttlichkeit wiederherstellen." Wird Gibson also mit dieser Kinobotschaft die Herzen der Gläubigen erreichen - und seine Produktionskosten einspielen?

© SZ vom 26.02.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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