Ortskunde:Fruchtbarer Boden

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Klein, aber kuschelig: Bauerntheater wird man auf der "Ars Musica"-Bühne im Stemmerhof vergeblich suchen, ansonsten ist jede Kultur-Spielart vertreten. (Foto: Massimo Fiorito)

Auf dem Stemmerhof gedeihen seit zehn Jahren auch Musik und Poesie

Von Oliver Hochkeppel, München

Sendling gehört heute zu den gesuchten Innenstadtlagen Münchens, sieben Minuten braucht die U-Bahn bis zum Marienplatz. Kaum vorstellbar, dass das Viertel noch bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts als eigenes Bauerndorf weit vor den Toren der Stadt lag. Auf freier Fläche zog man damals noch aus, wo heute die Lindwurmstraße pulst, bis es schließlich den Sendlinger Berg hinauf ging. Dort stand seit eh und je der größte und wichtigste Bauernhof des Ortes. Seit wann genau, weiß man nicht, erstmals urkundlich erwähnt wird der Hof am 24. April 1381, als der herzogliche Oberrichter Otto von Pienzau ihn dem Münchner Heilig-Geist-Spital vermachte. Mehrmals abgebrannt und wiederaufgebaut, ging die Grundbarkeit 1799 schließlich an Georg Stemmer über, dessen Familie den - 1864 für 5595 Gulden vom Spital abgelösten - Hof noch heute besitzt, und von der er seinen immer noch aktuellen Namen bekam: Stemmerhof.

Bis zum tragischen Tod des jungen Georg Stemmer 1992 wurde dort Landwirtschaft betrieben, was den Hof zum letzten bäuerlich genutzten im Innenstadtgebiet machte. Dann dachten sich die Erben Elisabeth Stemmer-Kunz und Walter Kunz eine neue Nutzung aus, die zur Tradition und zum Ort passt: Aus dem Bauernhof wurde ein alternatives Ladenzentrum mit Bio-Supermarkt, Behindertenwerkstatt, Öko-Restaurant, Skulpturenpark, Werkstätten und Läden. Einen 24-Quadratmeter-Raum mietete der Möbeldesigner (und gelernte Bio-Bauer mit Philosophiestudium) Roland Fritsch für seine Musikinstrumentensammlung.

Ein "klingendes Museum" hatte Fritsch schon immer vorgeschwebt; nachdem ein klassisches Trio bei einer Vernissage in seine Räume ausgewichen war, beschloss er, im Stemmerhof eine Bühne einzurichten. "Ars Musica" nannte er das Projekt, das sich seitdem zu einem Verein mit mehr als 100 Mitgliedern und einem der interessantesten (und gemütlichsten) privaten Kulturprojekte ausgewachsen hat. Neben die namensgebende Musik - vom Newcomer bis zum ausgewachsenen Star, vom Songwriter bis zum Jazzer - sind seit langem andere Genres getreten, Kindertheater etwa und Kleinkunst samt einer von Michaila Kühnemann geleiteten offenen Bühne. Oder Literatur: Drei Jahre lang wurde zum Beispiel das Gesamtwerk der Grimms vorgetragen, seit zwei Jahren gibt es mit den "Fabelhaften Couchpoeten" eine Lesereihe, in der schon die prominentesten Münchner Wortartisten zu Gast waren. Seit zehn Jahren trifft auf dem Stemmerhof nun Bio auf Kunst, und das Jubiläum wird natürlich gefeiert, mit einem kleinen, aber bunten Festival mit vielen Publikumslieblingen, Poeten und Bands samt abschließender Podiumsdiskussion.

Zehn Jahre "Ars Musica", Do. bis So., 8. bis 18. Oktober, Stemmerhof, Plinganserstraße 6, Programm unter www.stemmerhof.de/ars-musica

© SZ vom 06.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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