Oper in Passau:Schauergeschichten

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Übel gedemütigt wird Lucrezia (Yitian Luan, Mitte) von ihrem unehelichen Sohn Gennaro (Victor Campos Leal, links) und Orsini (Sabine Noack) (Foto: Peter Litvai)

Das Landestheater Niederbayern setzt mit Lucrezia Borgia seine Donizetti-Reihe fort. In der spannenden Inszenierung überzeugt nicht nur Titelheldin Yitian Luan mit stimmlichen Höchstleistungen

Von Klaus Kalchschmid

Am Ende verschmäht der Sohn das Gegengift zum tödlichen Wein, obwohl oder gerade weil Gennaro eben erst erfahren hat, dass die verhasste Lucrezia Borgia seine Mutter, also auch er ein Mitglied der berühmt-berüchtigten Familie ist. Heftig beweint sie seinen Tod, auch weil sie gehofft hatte, durch ihn "wieder rein zu werden".

Die furiose Arie, in der sie den Schmerz brillant herausschleudert, damals ein Zugeständnis an den Star der Uraufführung, wurde wirkungsvoll an den Anfang gestellt, worauf das Geschehen wie in einer Rückblende folgt. Yitian Luan schreitet also zu Beginn mit platinblonder Perücke, behängt mit Klunkern im Pailletten verzierten schwarzen Glitzerkleid langsam durch das kleine Fürstbischöfliche Opernhaus zum Eisernen Vorhang und erhält ein erstes Mal ob dieser famosen stimmlichen Höchstleistung samt bombensicherem Spitzenton tosenden Applaus.

Auf einer dunklen Bühne, die knöcheltief unter Wasser steht und an der Decke raffiniert gespiegelt wird (Bühne und Kostüme: Christl Wein) geht es ausgelassen zu, wenn Gennaro und seine Freunde, gekleidet in Lack und Leder, sich in Venedig die Zeit vertreiben. Später werden sie in Ferrara das Feiern orgiastisch auf die Spitze treiben, dazwischen aber demütigen sie Lucrezia Borgia übel, indem sie auf die Kniende urinieren.

Auch wenn heute als sicher gilt, dass die historische Lucrezia mit den Machenschaften ihrer Familie kaum etwas zu tun hatte, erzählt die Oper doch die Schauergeschichte, aber auch die Tragödie einer Mutter, die sich nicht traut, ihre Mutterschaft zu offenbaren. Daraufhin schändet Gennaro ihren Namen, macht daraus ORGIA - also Orgie - und begibt sich in Lebensgefahr. In Passau braucht er nur die zu den entsprechenden Buchstaben gefügten Lichter im Wasser wegkicken. Die durch Giftgas ermordeten Freunde fallen in letzte Zuckungen, während vorne an der Rampe Lucrezia Sohn Gennaro (mit tenoralem Glanz und höhensicher: Victor Campos Leal) überreden will, das Gegengift zu nehmen.

Einmal mehr zeigt Roland Schwab, wie präzise er Sänger zu intensivem Einsatz ihres Körpers verführen kann. Jeder Einzelne des (Männer-)Chors des Landestheaters Niederbayern ist ein Charakter für sich. Auch die Solisten in kleineren Partien wie die exzellenten jungen Tenöre Mark Watson Williams, Moritz Kugler und Joachim Roth, die wunderbar geschmeidig singende Mezzosopranistin Sabine Noack in der Hosenrolle des Maffio Orsini oder Kyung Chun Kim (Alfonso) werden zu Schauspielern. Bei der Niederbayerischen Philharmonie ist anfangs noch etwas Nervosität zu hören, bevor federndes, präzises Musizieren gelingt.

Vorstellungen in Passau am 20. und 21. 4.; 6., 21. und 25. 5.; ab 27. 4. in Landshut und Straubing

© SZ vom 16.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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