Oper für alle:Voller Verzückung

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Bei "Oper für alle" wird in diesem Jahr die Neuinszenierung von "Parsifal" mit Jonas Kaufmann in der Titelpartie auf den Max-Joseph-Platz und ins Netz übertragen.

Von Egbert Tholl und Rita Argauer

Unter Berücksichtigung der anhaltenden "Me too"-Debatte hätte Wagners "Parsifal" einen harten Stand. Es ist eine Oper über einen sakralen Männerbund, in der Frauen folgende Aufgaben haben: Als Blumenmädchen einen naiven Ritter verführen (klappt nicht), als körperlose Stimme von oben die letzte Weisheit verkünden ("Durch Mitleid wissend, der reine Tor" - klappt) und dienen. Kundry, die zur Büßerin umgedrehte, einstige erotische Geheimwaffe des bösen Zauberer Klingsor sagt (sagt, ja sagt, singen ist da nicht mehr!) im dritten Aufzug lediglich zwei Wörter. Oder genauer: zwei Mal dasselbe Wort. "Dienen, dienen."

Damit ist für Wagner im "Parsifal" die weibliche Existenz erledigt. Da wäre doch "Oper für alle" eigentlich mal ein guter Anlass, gegen den alten Macho Wagner zu demonstrieren. Was einem allerdings den Unwillen der vielen Wagnerianer auf dem Platz vor dem Nationaltheater einbringen würde, Wagnerianer beiderlei Geschlechts, denn wo ein Bühnenweihfestspiel draufsteht, da ist die Verzückung drin. Und die darf nicht gestört werden.

Ansonsten verspricht die Übertragung der "Parsifal"-Neuproduktion am Sonntag, 8. Juli, auf den Max-Joseph-Platz ein eher spirituelles Picknick der leisen Art zu werden, da nun einmal Wagner im "Parsifal" zwar seine avancierteste, aber halt auch innerlichste Musik schrieb. Zu Kundrys Worten zu Beginn des dritten Aufzugs kann man dann die Begleitung losschicken, für Getränkenachschub zu sorgen.

Wenn man sich den nicht ohnehin schon selbst mitgebracht hat, allerdings nicht in Glasflaschen, denn die darf man nicht mit auf den Platz nehmen. Genauso wenig wie andere sperrige Gegenstände wie etwa Kinderwägen, Stühle oder Hocker. Regenschirme aber sind erlaubt. Bei schönem Wetter wird das auf dem Max-Joseph-Platz in der Regel recht voll. Wem da zu viel Trubel ist, kann die Vorstellung aber am selben Tag auch im Live-Stream unter www.staatsoper.tv ansehen.

Zu den Fakten: Wagners Opern sind lebens- und weltenumspannende Gesamtwerke, dementsprechend lang sind sie. "Parsifal" dauert um die fünfeinhalb Stunden, inklusive zwei Pausen. Damit der Anfang der Übertragung nach draußen nicht im Sonnenlicht verblasst, beginnt die Vorstellung um 17 Uhr und dauert bis 22.35 Uhr. Nach dem Applaus drinnen kommen die Sänger vor die Türen des Nationaltheaters.

Die Besetzung ist ausgesprochen prominent: Neben Jonas Kaufmann in der Titelpartie singt Christian Gerhaher den Amfortas und René Pape den Gurnemanz. Bálint Szabó tritt als Titurel auf, Nina Stemme übernimmt die Rolle der Kundry und Wolfgang Koch den Klingsor.

Bei eher fülligen und bunten Opern ging das "Oper für alle"-Konzept bisweilen nicht so gut auf, denn da wirkt die große Leinwand angesichts des großen Platzes und der beachtlichen Menschenmenge vergleichsweise klein und der Kunstgenuss entsprechend indirekt. Wagner, der große, pathetische Gesamtkunstwerker hat im "Parsifal", seiner letzten Oper, jedoch teils erstaunlich zurückhaltend komponiert. Andächtig wirkt das Karfreitag-inspirierte Werk, transzendent und mit einer bisweilen auch durchschimmernden Musik. Wenn es auf dem Max-Joseph-Platz dann langsam dunkel wird, dürfte die Mystik dieser Musik eine besondere Wirkung entfalten.

Oper für alle: Parsifal , Sonntag, 8. Juli, 17 Uhr, Max-Joseph-Platz, Eintritt frei

© SZ vom 21.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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