Öffentlich-rechtliche Groteske:Zum Sündenfall bitte zweite Tür links

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Die ARD bringt eine Komödie des bayerischen Rundfunks, die himmlischen Beistand wahrlich benötigt.

CHRISTOPHER KEIL

Was macht ein Kaplan, der nicht an die Auferstehung glaubt? Nun, er muss dem Herrn wohl kündigen. Jedenfalls denkt sich das der gute Leonhard ¸¸Leo" Heilmann so, der seinen kirchlichen Dienst auf dem Lande verrichtet und besonders zu Hofe bei Christa Dargatz. Zufälligerweise hat die rüstige Bäuerin testamentarisch verfügt, dass Leo ihr Geld in ein brasilianisches Urwalddorf investieren darf. Und da passt es Leo, was man allerdings erst nach einer Weile erfährt, ganz gut, dass Christa der Schlag trifft, als sie nach ihren panisch schnatternden Gänse sieht, die plötzlich ein rotes Gefieder tragen.

Geschichte bis zur Besinnungslosigkeit verzerrt, entfremdet und entstellt. (Foto: Foto: BR)

Die animalische Graffiti-Tat wurde von Paul begangen, dem siebenjährigen Enkel. Der niedliche Paul wird bald noch seinen Onkel Konrad erpressen, denn der Onkel, ein braver Kfz-Mechaniker, hat bedauerlicherweise den Doktor überfahren, der gerufen wurde, weil er den Totenschein ausstellen sollte. Paul saß auf dem Rücksitz, als Onkel Konrad dem Arzt mit dem linken Kotflügel das Genick brach und ist bereit, sein Wissen zu vergessen. Sofern ihm ein iPod geschenkt würde.

Zu diesem Zeitpunkt hat man sich bereits damit abgefunden, dass der Bayerische Rundfunk die Regisseurin Vivian Naefe beauftragt hat, eine Groteske zu inszenieren auf die Kirche, die Familie und den Erbstreit. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt wird beispielsweise Benno, Christas missratener jüngerer Sohn, mit seiner Schwester Clara intim, die wegen eines Gehirntumors nicht mehr lange zu leben hat. Und Konrad, der brave Mann, enttarnt sich als Erzeuger von Paul, was Konrads Frau, die schnepfige Gisela, die Carlas ältere Schwester ist, eher gefasst zur Kenntnis nimmt. Wohl auch deshalb, weil sie Paul immer ¸¸Michael" nannte. Michael war ihr Erstgeborener, der eines schwachen Herzens wegen zu früh starb. Aber ausschaute wie Paul, nur blond.

Das klingt alles sehr verwirrend, doch eines hat Vivian Neafe wirklich gut gemacht: Sie hat von Anfang an den Humor als Stilmittel eingeführt und ihre Geschichte dann bis zur Besinnungslosigkeit verzerrt, entfremdet und entstellt. Leider wird man davon selbst besinnungslos, obwohl ja die Absicht so deutlich wird. Aber viele Dialoge liegen genau so deutlich unter dem dramaturgischen Ehrgeiz, und die eine oder andere Figur kommt auch nicht in die Höhe. Zuweilen braucht der Film den himmlischen Beistand wie der gar nicht so christliche Leo. Und das sehr überraschende Ende nimmt man schließlich nur noch hin und denkt: Es ist vollbracht.

Allerdings bleibt die Erinnerung an die eine oder andere komische Szene und an ein feines Darstellerensemble, zu dem Matthias Brandt, Elmar Wepper, Gisela Schneeberger und August Zirner gehören. Vor allem Wepper ist als Onkel Konrad ein großartiger, ein großer sentimentaler Bayer.

Leo, ARD, 20.15 Uhr.

© Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.124, Mittwoch, den 31. Mai 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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