Nur noch 1 Tag:Der Frühling ist da!

Lesezeit: 5 min

Ein letztes Mal der Bilderreigen aus jenen schockgefrorenen Landstrichen, die einst "Deutschland im Vorfrühling" waren.

Frederic Huwendiek

Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte! Hach, man könnte fast schwärmerisch werden ob des tiefblauen Himmels, der blinzelnden Sonne und der tschilpenden Vöglein. Und Mörike zitieren. Mit seinen Düften und Lüften und Veilchen. Und dem leisen Harfenton. Er ist da! Der Frühling! Gar einen Tag zu früh! Und doch viel zu spät!

Doch halt! Man sollte in dieser Stunde frühlingshafter Schwingungen einen Moment innehalten und an die Anstrengungen der letzten Wochen erinnern: Was haben wir gegen den Frost angeschrieben, beinahe jeden Tag. Unsere Hoffnungslosigkeit in Worte gefasst, unsere Fassungslosigkeit in Tastaturen gehackt. Und es schien wirklich aussichtslos. Schneeberge türmten sich. Versperrten Haus und Hof. Braun-gieriger Matsch fraß sich in unser Schuhwerk. Klirrende Kälte ließ uns klappernd auf Züge und Busse warten. Rotbäckig eingewickelt in Schicht um Schicht harrten wir - und nichts geschah.

Heute eilt gar das Streiflicht uns zur Seite und fleht die Heil'ge Gertrud, den Heiligen Gregor und Benedikt an. Bittet um der warmen Sonne Trost spendenden Strahl. Und lässt die Bittschrift mit diesen Worten enden: "Allmächtige bayerische Staatsregierung, schieb den Winter ab, wohin auch immer."

Wohin der Winter abgeschoben wurde, wissen wir nicht. Wo der Frühling derzeit weilt, zeigen wir Ihnen. Hier:

Noch drei Tage

Antrag auf Aufnahme ins Lexikon untergehender Wörter: Jahreszeit, die; -n. Phänomen aus der Zeit vor dem ->Großen Klimawandel, das mit großen Schwankungen der Temperatur einherging.

Wir werden es vermissen, le Phänomen, besonders in der unvergesslichen Kombination mit: Für die Jahreszeit zu kalt/warm/trocken/nass (nicht zutreffendes streichen). Und wir werden unsern Kindern den Vivaldi erklären müssen, weil ihnen werden "Die vier Jahreszeiten" so vorkommen wie "Die vier Monde".

Wer jetzt immer noch nicht genug hat, der klicke auf die Bilder. Aber: Sie müssen richtig tapfer sein!

Noch vier Tage

Was Kinder so fragen: Ob wir jetzt eine Eiszeit kriegen? "Ja, mein Sohn." - "Und was tun die Menschen dann?" - "Einheizen." - "Schmelzen die den Schnee dann weg?" - "Nein, mein Sohn, das kann man nicht." - "Aber unser Lehrer hat gesagt, dass sogar die Gletscher schmelzen, weil die Menschen die ganze Erde aufgeheizt haben".

Es gelang mir, das Gespräch an dieser Stelle unauffällig auf ein anderes Thema zu lenken, aber natürlich bleibt die Frage: Können die nicht einfach noch ein klein bisschen mehr einheizen, dass es bei uns auch noch warm wird?

Dass endlich alle die Schneehügel verschwinden, dass der große Regen kommt und all die monatelang eingefrorenen Hundekothäufchen wegspült, auf dass Platz werde für frische? Können die das nicht? Oder wollen sie nicht?

Noch 5 Tage

Seit Jahren hält sich hartnäckig das Gerücht von einer FKK-Loipe im Salzburger Land. Nach dem Motto "Nahtlos braun in Obertraun" sollen sich Nackerte auf einer vier Kilometer langen, etwas abseits gelegenen Loipe im tummeln. Nun verhält es sich mit dieser Piste ein wenig wie mit dem Ungeheuer von Loch Ness: Die einen schwören Stein und Bein, dass sich dort Textil-Phobiker die Kleider vom Leib reißen, um anschließend mit beiden Füßen in klobigen Langlaufskischuhen zu verschwinden. Andere wiederum halten das ganze für einen miesen Marketing-Gag.

Da bleibt nur eins: Hinfahren und selbst ausprobieren. Sollte sich herausstellen, dass sie im Skigebiet Dachstein/ Krippenstein die einzige nackte Person sind, können Sie zumindest von sich behaupten, Anhänger einer echten Minderheiten-Sportart zu sein.

Was, das ist Ihnen zu kalt? Dann sollten Sie Ihre Einstellung überprüfen. Und sich ein Beispiel an den unerschrockenen Frühlingssuchern in der folgenden Bildergalerie nehmen.

Noch 6 Tage

Gestern Kachelmann geguckt. Geweint.

Kachelmann, das ist der Mann vom Wetter, der irgendwie einen an der Kachel haben muss. Denn Kachelmann hat immer beste Laune. Bei jedem Wetter!

Gestern hat Kachelmann - wie immer supergutdruff - erklärt, dass trotz der hiesigen Eiseskälte, dieser immer weiter andauernden Eiseskälte, wohlgemerkt, dass also trotz dieses Superfrustfrostes, der T R E I B H A U S E F F E K T global weiter bestehe, grassiere, sich ausbreite, wasweißich. Ja, überall auf der Welt. Fast überall. Denn der grundlos fröhliche Kachelmann zeigte dazu flötend eine Weltkarte: überall auf der Welt ist es derzeit wirklich zu warm. Nur an zwei Stellen dieses Planeten nicht.

Und zwar

in Sibirien

und

in Deutschland!

Was will uns das sagen? Eine Weltkarte, vom munteren Kachelmann fast gänzlich blutrot eingefärbt wegen der gewaltigen Temperaturen allerorten, eine blutrotschwitzende Weltkarte mit lediglich zwei blau verfrorenen Pocken: Deutschland und Sibirien? Was soll uns das? Eine Strafe? Eine Rache der Welt, der Götter? Warum?

Weil wir die WM haben und die anderen nicht, wir aber immer im Fußball verlieren? Weil Klinsmann Bundestrainer ist und nicht Paul Breitner. Weil Beckenbauer hier rumrumort? Weil wir einen DFB haben, der schockgefroren wirkt. Weil wir schon in der Vorrunde ausrutschen?

Oder aber wegen der Großen Koalition, dem Eisesblock-Stillstand in Deutschland, der Dauzerstreiks, der fehlenden Arbeitsplätze bei steigenden Industriegewinnen? Und was soll dann diese seltsame Allianz mit Sibirien? Mit Sibirien, dem Hort der Kälte schlechthin?

Ach! Niemand weiß es, es ist kalt, es bleibt kalt und - hahahahahahaha! - in drei Wochen wird auf Sommerzeit umgestellt. Haben Sie das? Auf Sommerzeit, mitten im Schockfrost, mitten im Superfrustfrost, im ewigen Eis, das diese Republik gefangen hält. Polarforscher zu uns! Auch und gerne in der Sommerzeit! Ha!

Noch 7 Tage

Kinder passen sich diesen ewigen Winterwetter-Verhältnissen ja am schnellsten an. Man merkt es an ihren Antworten, wenn sie danach gefragt werden, was aus ihnen einnmal werden soll. Dann sagen sie inzwischen: Schneepflug-Fahrer, Biathlet, Eisschwimmer, Schneekönig, Skihase und Kufen-Fabrikant für die Deutsche Automobil-Industrie. Sie verabreden sich zum Kakao an der Tiefkühltheke in ihrer Stamm-Kneipe "Zum kühlen Iglu", um sich dort die schaurige Geschichte von Vampir Frost zu erzählen: Das ist jener unterkühlte Dracula-Vetter, der nicht leben, nicht sterben, nicht vergehen kann und jede Lebensenergie einfriert.

Überhaupt: Fragen Sie unsere Kinder mal nach den Namen für die Jahreszeiten und danach, worin sie sich unterscheiden. Die Kinder antworten: Es gibt den Frühling-Winter, den Sommer-Winter und den Herbst-Winter. Und dann ist wieder Winter. Die Unterschiede: Im Sommer-Winter sieht man den Schnee länger als im Winter. Denn es ist zwar genauso kalt, aber außerhalb der ewigen Winternacht ist es länger hell. Da läuft es einem eiskalt den Rücken runter. Und diesmal liegt es nicht am Frühlings-Winter.

In unserer Galerie sind aktuelle Wochenendfrostbilder!

Noch 10 Tage

Es taut. Das ist immerhin ein Anfang. Und wenn die Pfützen sich zu tosenden Wassermassen vereinen, deren Strom uns in die Tiefe reißt? Was soll´s, denken wir lieber positiv und stellen uns auf Frühlingsgefühle ein. Heute haben wir uns den Lenz ins Büro geholt.

Noch 11 Tage

Es ist nass, und es ist gräulich. Es regnet. Klares Wasser fließt über schmutziges Weiß. Seit gestern.

Aber es wird Frühling. Es muss.

Noch 12 Tage

Es ist weiß, und es ist fürchterlich. Es schneit. Es liegt, es weißt. Seit Oktober letzten Jahres schon.

Inzwischen sind Hallendächer eingestürzt, Autobahnen gesperrt worden und ganze Großstädte versunken. Aber es hört nicht auf, dieses Elendsweiß, es hört nicht auf. Es schneit und schneit, auch jetzt, da diese Zeilen geschrieben werden. Es wird nie aufhören, nie mehr. Es wird immer weiter schneien, das Frühjahr durch und den Sommer und den Herbst und dann ist schon wieder Winter, und da darf es auch offiziell wieder schneien.

Hier ist eiskalt unser Weißkalt-Countdwon. Bis zum Frühlingsanfang. Damit Sie nicht vergessen, dass es mal eine Jahreszeit gab, die nicht Winter war. Aber das muss lange her sein, dass es mal eine solche Jahreszeit gab. Ach, es ist furchtbar.

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