Nicolas Sarkozy:Ein begabter Komödiant

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"Ich habe meine Persönlichkeit selber geschaffen": Die Dramatikerin Yasmina Reza porträtiert Nicolas Sarkozy und entdeckt seine "entwaffnende Vulgarität".

Rudolph Chimelli

Wenn eine renommierte Autorin wie Yasmina Reza den Weg des Kandidaten Nicolas Sarkozy ins Elysée beschreibt, dann ist dies mit Sicherheit gut für die Auflage. Schon bevor ihr Buch "Das Morgenrot, der Abend oder die Nacht" ("L'aube le soir ou la nuit") am Freitagnachmittag mit 100 000 Exemplaren in die Buchhandlungen ging, war es von den Schnell-Lesern der Medien bereits durchgeblättert und nach Neuigkeiten abgesucht worden. Sie fanden davon nur wenige, dafür aber zahlreiche Steinchen eines intelligent ausgelegten Charakter-Mosaiks, das den meisten gut gefiel. "Louis XIV. hatte Racine, de Gaulle hatte Mauriac, Sarkozy hat Reza", nuancierte vorsichtig die Libération.

Im Juni 2006, als Sarkozy noch Innenminister war, zog Yasmina Reza - wie sie dem Nouvel Observateur erzählte - "ein hübsches kleines Kleidchen an" und ging aus eigenem Entschluss in das Ministeri-um an der Place Beauvau, um ihm das Projekt anzutragen. Die meisten Literaten hatten ihr abgeraten. Sarkozy aber war begeistert. "Sogar wenn Sie mich demolieren, machen Sie mich größer", sagte er ihr. Ein Jahr lang begleitete sie den Kandidaten auf Reisen und Versammlungen, zu internen Sitzungen der Führungsgremien der Regierungspartei UMP, in die tiefste französische Provinz, die Sarkozy nicht mag, und in die Hauptstädte der Welt.

Als sie mit Sarkozy nach einem Essen beim britischen Premierminister Tony Blair aus Nummer 10 Downing Street kam, war der Wahlkämpfer überrascht, dass die Schriftstellerin von den Reportern genauso viel fotografiert wurde wie er. Jeder kannte sie hier, denn ihre Stücke - "Kunst" oder "Drei Mal Leben" - waren in London viel gespielt worden. Das schmeichelte Sarkozy, der bis dahin mehr an der Seite von Johnny Hallyday oder Mireille Mathieu gesehen worden war. Ein Jahr lang bewegte sich die Autorin im Tross der "embedded journalists", blieb aber abseits. Sie durfte nicht mit ihnen fotografiert werden und trug stets Kleid oder Rock.

Yasmina Reza hält Sarkozy für einen begabten Komödianten. "Ich habe meine Persönlichkeit selber geschaffen", bestätigte er ihr. "Im Gegensatz zu dem, was er wirklich ist", erläutert sie. Seine Gegenkandidatin, die Sozialistin Ségolène Royal, sei dagegen eine "mittelmäßige Schauspielerin", die weder ihre Stimme noch ihren Körper richtig zu platzieren wisse. Über des Präsidenten Frau Cécilia steht im Buch kein Wort.

Es half, dass zwischen der Porträtistin und dem Dargestellten Affinitäten bestehen. Beide haben in ihrem Hintergrund ungarisch-osteuropäisch-jüdische Wur-zeln, obwohl Sarkozy - so Yasmina Reza zum Nouvel Observateur - "seine jüdische Seite nicht zu sehr hervorhebt". In gewissem Sinne sei das Porträt zugleich ein heimliches Selbstbildnis. Der Präsidentschaftsbewerber fischte Stimmen bei der Nationalen Front, aber er hasst sie. "Wenn ich gewinne, würde ich sie am liebsten verbieten lassen, zusammen mit dem Lion's Club und dem Rotary", vertraute er der Autorin einmal an.

Der Finanzier Alain Minc prophezeite Yasmina Reza vor Beginn des Sarkozy-Œuvre, sie habe die Wahl, sich entweder in ihr Objekt zu verlieben oder dem Ehrgeiz zu verfallen. Politische Ambitionen oder Hoffnungen auf ein Amt hat Yasmina Reza indessen nicht entwickelt.

Schön, diese Rolex

Und ihre Liebe, falls es sie gibt, empfinden Rezensenten als eher mütterlich. Sie sieht in Sarkozy ein intelligentes Kind, nervös und aufgeregt, das seine Angst mit Aktionismus zudeckt. Ohne Scheu beschreibt sie seinen "Provinzler-Geschmack" (goûts de plouc), seine Vorliebe für teure Zigarren, für Schokolade und Pflaumen, für alles, was glänzt. Einmal während der Kampagne nahm er in einer Hotelhalle den Figaro von Yasmina Rezas Knien. Am Fuss einer Seite fiel ihm eine Annonce auf. "Sie ist schön, diese Rolex", sagte er bewundernd.

Er blättere die Zeitungen durch, lese aber die politischen Artikel nicht, rüh-me sich, dass er seine Dior-Anzüge gegen Lanvin vertauscht habe, so resümiert der Nouvel Observateur die Analysen der Yasmina Reza. Das Fazit der Schriftstellerin laute: "Entwaffnende Vulgarität." Sie beschreibt im Buch die Spontanität, die menschliche Naivität, die Sarkozy bei den Wählern beliebt machte. "Zu Arbeitern redet er vom Fahrrad und von der Gangschaltung. Er ist dabei er selber. Er treibt keinen Kult mit der Kultur."

Als die Wahl gewonnen war, fragte Yasmina Reza den Sieger: "Bist du zufrieden?" Das Wort "glücklich" habe sie nicht gebrauchen wollen. "Ich bin heiter", antwortete Sarkozy. Zum Siegesmahl am Wahlabend im Restaurant Fouquet's, für das Cécilia die Gästeliste schrieb, war Reza nicht mehr eingeladen.

© SZ v. 25./26.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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