Neues Album von Bloc Party:Gänsestopfleber an Kokain

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Mit "A Weekend In The City" legt die Band Bloc Party ein Konzeptalbum über den Rausch und die Rituale der Großstadt vor. Sänger Kele Okereke eifert darauf fleißig seinem Vorbild Morrissey nach.

Christian Kortmann

Diese Popsong-Zeile musste unbedingt noch geschrieben werden, David Bowie und Iggy Pop haben sie wohl vergessen, als sie in den späten 1970-ern in West-Berlin abhingen: "Crying again in the Hauptbahnhof", so, da ist sie, klagend vorgetragen von Kele Okereke im Lied "Kreuzberg" auf "A Weekend In The City", dem zweiten Studioalbum der Band Bloc Party. Nach ihrem mehr als eine Million Mal verkauften Debüt "Silent Alarm" im Jahre 2005 legen sie nun ein Konzeptalbum vor, in dem es um das moderne Leben in Berlin und - im britischen Wortsinn von "The City" - vor allem in London geht.

Leitmotiv der Songs sind die gesellschaftlichen Rituale, die einen im Griff haben, und die Zweifel, die ein sensibles Individuum dabei überkommen: "At Les Trois Garçon, we meet at precisely 9 o'clock / I order the foie gras and I eat it with complete disdain", besingt Okereke seinen Luxus-Ekel.

Ein Weg, dem zu entkommen, ist der totale Rausch, um den es im Song "On" geht: Okereke beschreibt Kokain als Durchhaltedroge, die das falsche Leben erträglich macht und hilft, die Jobs zu erledigen, die man hasst. Doch die Verstimmung nach dem Rausch ist größer als zuvor. Ein manisch-depressives Großstadtwochenende: Teuer, anstrengend, sinnlos.

Das heißt, völlig sinnlos kann es nicht sein, denn immerhin kommen ein paar Songs dabei heraus: Halb so glamrockig wie Placebo, halb so schmachtend wie die Bright Eyes ist der Sound von Bloc Party. Es ist progressiver Synthie-Rock, ein schnell fließender Strom von passagenweise stakkatohaft rhythmisierter elektronischer Musik, deren Gestus zwischen verzweifelt-wütend und tröstlich schwankt.

Der Unerklärte

Als dunkelhäutiger Einwanderer der zweiten Generation erkennt der 25-jährige Okereke auch politische Gründe dafür, dass er sich im England der Gegenwart als Außenseiter fühlt: "In every headline we are reminded / That this is not home for us", klagt er im Lied "Where is Home?'' die Berichterstattung der Medien an. "I want to stamp on the face of every young policeman; But I cannot / So I just sigh and sulk": Mit seinem hasserfüllten Weltschmerz stellt er sich in die Nachfolge seines großen Vorbilds Morrissey. Auch die Texte seiner Liebeslieder sind so androgyn wie die der Smiths.

Erstaunlich, dass es noch Nachrichtenwert besitzt, ob Kele Okereke nun homo-, hetero- oder bisexuell ist. In Zeiten, in denen sich Politiker öffentlich zum Schwulsein bekennen, dachte man, einem selbstverständlichen Umgang mit Sexualität näher gekommen zu sein. Doch englische Medien zerbrechen sich seit Monaten über Okerekes Vorlieben den Kopf.

Er macht es ganz richtig und hält alles im Status der vagen Spekulation. Im "Guardian"-Interview sieht er sich selbstbewusst in einer Reihe mit den angeblich bisexuellen Pop-Größen Bowie und Morrissey: die sexuelle Orientierung als geschlossene Künstlergesellschaft. Ansonsten weiß Okereke, dass es nichts Interessanteres gibt als sich die Aura des "Unerklärten" zu bewahren.

© SZ v. 7.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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