Neuer Sissi-Film im Fernsehen:Kronprinz Rockstar

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Die ARD setzt die Geschichte von Kaiserin Sissi fort: Mit einem mächtigen Kostümfilm über ihren Sohn Rudolf. Der nimmt Drogen, geht gerne ins Bordell und ist auch sonst recht frivol.

Eva Marz

Der Film beginnt mit einer Entzauberung. Eine der Eröffnungsszenen zeigt den Kronprinzen Rudolf frivol: Splitternackt im Bett auf Felldecken, seine Hände gleiten über den ebenfalls nackten Körper einer älteren Baronin, bis diese sich entschlossen rittlings auf ihn setzt.

Dieser Rudolf 2006 ist einer, der im bloßen Hemd mit vulgärem Lachen Zigaretten raucht und dabei den Ellbogen auf den Tisch stützt. Einer, der im Bordell herum hockt und der Puffmutter Komplimente macht. Bei Ernst Marischka, an dessen legendären Sissi-Filmen aus den fünfziger Jahren sich Nachfolger doch immer messen lassen müssen, hätte es so ein Benehmen nicht gegeben.

In Österreich wird die "Produktion der Superlative" (ARD) um Sissis einzigen Sohn Rudolf, der mit 31 Jahren Selbstmord beging, als Zweiteiler ausgestrahlt. Die Deutschen sehen nun eine sehr gekürzte 90-Minuten-Fassung: Der mächtige Geschäftsführer der ARD-Produktionstochter Degeto, Hans-Wolfgang Jurgan, soll dem deutschen Publikum die sehr österreichische politische Nebenhandlung erspart haben. Aber warum?

Elf Millionen Euro kostete dieses TV-Ereignis aus der Historienwerkstatt des Eos-Chefs Jan Mojto. Eine Werbebroschüre listet 4000 Requisiten, 3500 Komparsen, 1800 Kostüme, 200 Bärte und 70 Kutscheneinsätze. Dass Klaus Maria Brandauer unter der Maske von Franz Josef II steckt, sollte man vorher wissen, denn Brandauer gibt den Kaiser derart statuarisch, dass man ihn nicht unbedingt gleich erkennt. Doktor Schiwago, also Omar Sharif, ist als Kunstmaler Hans Canon dabei. Solche Filme brauchen Stars, wenigstens die ehemaligen, das verleiht ihnen panoramatische Breite und historische Tiefe. Von einem teuren Kostümfilm namens "Kronprinz Rudolfs letzte Liebe" erhofft man sich altes Wien, Schönbrunn, Ballsäle, Sentimentalität, Walzer und Kaiserinnenroben. Das bekommt man auch, allerdings düsterer und in gewisser Weise moderner als erwartet.

Zwei befreundete Jungs: Max von Thun ist Rudolf, der österreichische Thronfolger und Robert Stadlober der deutsche, der spätere Wilhelm II. Stadlober benutzt als Wilhelm nocheinmal dieselbe Geste der herunter hängenden kranken Hand, wie in "Crazy" (2000), in dem er den teils gelähmten Schüler Benni spielte.

Die beiden Kronprinzen benehmen sich wie heutige Rockstars - während sie neben all den anderen Festroben die große Treppe zum Hofball hinaufschreiten, unterhalten sie sich darüber, welches Mädel man nachmittags noch schnell gevögelt hat. Max von Thun erklärte kürzlich: "Kronprinz Rudolf war der erste Rock 'n' Roller. Er galt als leidenschaftlicher Liebhaber von Schrammelmusik, außerdem war er vom Morphium abhängig, und er hatte viele Frauen." Na, Bravo.

Eso-Tante mit Schweizer Nummernkonto

Das Langweilige daran ist, dass man das, was Jungs von heute umtreibt ja kennt - zu Genüge. Und sicherlich hat sich dieser Rudolf für Sex interessiert, aber ist denn das eine Nachricht? Wer Fernsehen schaut, kriegt oft so eine unglaubliche Sehnsucht nach Überraschung, nach irgendetwas Anderem als der faden Wiederholung des ewig Gleichen. Offenbar war der echte Rudolf ein passionierter Ornithologe. Hätte man nicht einmal diese Leidenschaft erklären können? Anstatt nur sich Wälzen zwischen Pelzen und Ärmel Hochkrempeln zum nächsten Morphiumschuss?

Die späte Liebe zu Mary Vetsera (Vittoria Puccini) ist hier keine große Herzensangelegenheit, jedenfalls nicht vom Prinzen aus. Ihr inbrünstiges "ich lllieeebe dich" nimmt sich immer etwas verloren aus, weil er dabei ganz andere Sorgen zu überdenken scheint. Insgesamt erscheint der Kronprinz als etwas unklare Figur: einerseits Morphinist und den Frauen zugetan, andererseits verkannter politischer Visionär, der in einer Szene heftig vom vereinten Europa träumt.

Eine neue Sissi - oder korrekter, Sisi - ist immer ein Ereignis. Diese wird von der schönen Italienerin Sandra Ceccarelli gespielt. Mit einem anorektisch fragilen Sisi-Körper und einem nervös verzogenen Gesicht ist sie ein veritables Gegenprogramm zu Romy Schneider. Immer noch attraktiv, aber eine Spinnerin, die Esoterik redet. Ihr Geld allerdings hat sie, das kommt wiederholt auf, klug angelegt: in der Schweiz.

Kronprinz Rudolfs letzte Liebe, ARD, 20.15 Uhr.

© SZ v. 28.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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