Neue CD: The Rifles:Schießprügel der Herzen

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The Rifles veröffentlichten am 14. Juli ihr Debut namens "No Love Lost". Angeblich ist die Platte so gut, dass man sich den Bandnamen auf´s offene Herz tätowieren lassen soll. Haben wir gemacht.

Philipp Mattheis

Wer schon immer die Grünen gewählt hat, wird wahrscheinlich nie sein Kreuz bei der CSU machen. Und umgekehrt ist es wohl dasselbe. Die Lager sind nun mal abgesteckt, die Fronten sind klar. Man ist sozialisiert, da kommt man nicht mehr raus. Nur in seltenen Momenten im Leben mutiert man kurzzeitig zum Grenzgänger.

Politisch wie auch musikalisch. Wer mit Nirvana und Suicidal Tendencies groß geworden ist, wird sich wahrscheinlich nie eine Platte von Kayne West kaufen. Zu einer Grenzüberschreitung muss ein besonderer Anlass her: Hartz IV, Nato-Doppelbeschluss oder eben eine verdammt gute Platte.

Erschwerend hinzu kommt - was den Wechsel ins Gitarrengeschraddel-Lager betrifft -, dass man es langsam wirklich leid ist, im Vier-Wochen-Takt das neue Musikwunder aus Great Britain oder Skandinavien präsentiert zu bekommen: The Hives, The Strokes, Franz Ferdinand, Arctic Monkeys, Monroe und wie sie sonst alle heißen. Schon klar, das ist der Trend halt im Moment.

Doch auch der muss doch langsam mal seinen Zenit überschreiten. Und dann ist Schluss mit den vielen süßen Mädchen Anfang 20, die in ihre Myspace-Profile Sätze schreiben wie "always got your dancing shoes in your Handtasche!"und jedes Wochenende das zelebrieren, was ihrer Meinung nach Rock'n'Roll sei (zwei Bier trinken, tanzen und süß lächeln). Und von dem man dachte, dass es ihn doch eigentlich schon seit 30 Jahren nicht mehr gebe.

Tätowieren, sofort!

Aber nichts da. Es geht weiter. "No Love Lost" ist - um es gleich mal vorweg zu nehmen - eine unglaublich gute Platte. Die führt selbst verbohrte Gitarren-Geschraddel-Hasser und fundamentalistische Anhänger elektronischer Musik hinüber in das Lager der Indie-/Emo-/Punk-Rocker.

Die Songs oszillieren zwischen Ramones, Arctic Monkeys und den frühen Sachen von Offspring - und klingen dabei wie alte Klassiker, die man "irgendwo schon mal gehört hat". Um so erstaunlicher, dass es sich bei dem Album der vier Londoner um ein Debut handelt.

Ihren ersten öffentlichen Auftritt absolvierten die Rifles erst im Januar 2004 im Londoner Bull & Gate-Club. Mitte 2005 richtete man sich dann ein Profil auf Murdoch's Plattform myspace.com ein und wurde bald massiv herunter geladen. Und seitdem wird die Band gefeiert, hoch gelobt und angepriesen. So schrieb das Musikmagazin NME, die Rifles seien "seit Jahren die erste Band mit Londoner Postleitzahl, des es wert ist, sich ihren Namen auf dem herzen tätowieren zu lassen."

Irgendwie geschieht das alles zurecht: The Rifles hätte auch vor fünf Jahren erscheinen können und könnte auch in fünf Jahren veröffentlicht werden - alles klingt erstaunlich rund, melodiös abgestimmt und läuft doch niemals Gefahr ins Poppige abzudriften. Ein Kunststück, das nur die aller wenigsten Bands schaffen.

Was nicht zuletzt an der großen stilistischen Bandbreite der Rifles liegt. Freilich, dem Trend entsprechende Gitarrenmusik bleibt es, doch innerhalb dieser Grenzen ist alles möglich zwischen The Streets, Ramones, The Smiths und Babyshambles. Die Songs sind sauber produziert, ohne dabei steril zu klingen.

Ok - runterkommen. Durchatmen. The Rifles sind nicht die neue Hoffnung Großbritanniens und auch nicht das neue Heilsversprechen des Rock'n'Roll. Textlich zumindest bleibt alles im Rahmen. Man beschäftigt sich laut eigenen Angaben mit dem "Leiden und Leben von jungen Menschen in der Großstadt". Nichts also, worüber man nun auch noch Lobeshymnen verlieren müsste.

Aber wer schon immer ein bisschen in dieses Land des Gitarrengeschraddels mit den netten jungen Damen, deren zweites Wort immer "Rock'n'Roll" ist, hinübergelurt hat, der sollte die Gelegenheit namens "The Rifles" nutzen. Die Stammwähler müssen darüber erst gar nicht nachdenken.

The Rifles: "No Love Lost" (Red Ink / Universal) 1. She's Got Standards 2. Local Boy 3. One Night Stand 4. Hometown Blues 5. Peace & Quiet 6. Spend A Lifetime 7. Robin Hood 8. She's The Only One 9. Repeated Offender 10. When I'm Allone 11. Narrow Minded Social Club

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