Neu im Kino:"Vollidiot":Strombergartige Stänkerattacken

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Oliver Pocher erweist sich als Idealbesetzung für die Loser-Figur in "Vollidiot". Er spielt einen prolligen Stadtneurotiker, der mehr als nur grobe Scherze reißt - wird aus Pocher noch ein deutscher Steve Martin?

Rainer Gansera

Was ist ein Gurkenrennen? Der "Vollidiot"-Held Simon Peters (Oliver Pocher) und sein Kumpel Flik (Oliver Fleischer) demonstrieren es nach einer langen, durchzechten Nacht.

Bevor sie in ihre fetten Burger beißen, holen sie die zwischen Salatblatt und Bratling im Ketchup schwimmenden Gurkenscheiben hervor und werfen sie ans Frontfenster des verhassten All American Coffee Shops. Dann beobachten sie, welche der Scheiben schneller runtergleitet. Ein abgedrehtes Spiel, in dem sich auch die trostlose existentielle Lage des Helden spiegelt.

Kurz vor seinem 30. Geburtstag ist Simon Peters am Ende. Vor einem Jahr hat ihn seine Freundin verlassen, und alle Versuche, sich aus dem Trennungsschmerz wieder aufzurappeln, scheitern kläglich. Er verliert seinen Job in einem Mobilfunkladen, seine Lieblingskneipe muss der Filiale einer Coffee-Shop-Kette weichen, und der Gerichtsvollzieher ist hinter ihm her.

Er wird mit seinem tölpelhaften Sarkasmus alle verprellen: mögliche Traumfrauen, beste Freundinnen und Freunde. Irgendwie geschieht es ihm recht, denn er ist ein großmäuliger, selbstgefälliger Trottel, ein Vollidiot eben, und Oliver Pocher erweist sich für diese Loser-Figur als die ideale Besetzung.

TV-Comedian Pocher, in seinen Fernsehshows ("Alles Pocher - oder was?", "Rent a Pocher") für die gröberen Scherze bekannt, erhält hier Facetten, die über seine Standards hinausgehen, und erscheint als liebenswertes Ekel, als prolliger Stadtneurotiker, dessen Revier die Kölner Innenstadt ist.

Pocher hat Coolness, Leinwandpräsenz, präzises Timing, und könnte die deutsche Antwort auf Steve Martin werden. Dessen erster Kinohit hieß übrigens "The Jerk", was mit "Vollidiot" treffend zu übersetzen wäre.

"Lad dir den Hauptschulabschluss runter!"

Autor Tommy Jaud (sein gleichnamiger Buch-Bestseller dient als Vorlage) und Regisseur Tobi Baumann ("Der Wixxer") haben sich in TV-Comedy-Kreisen kennengelernt und erzählen die Geschichte souverän im Tonfall einer Standup-Comedy: Einige Storylinien erinnern an Nick Hornbys "High Fidelity", und die Gags pendeln hübsch zwischen Selbstironie und Rüpelattacke. Es geht darum, demütigende Alltagsszenen, in die sich jeder Mann sofort einfühlen kann, bis ins albtraumhaft Absurde zu treiben.

Alle kriegen in Stromberg-Manier ihr Fett ab: die Fitnesscenter-Clowns, die Disco-Tussis, die Prostituierten des "All you can fuck"-Bordells, auch der Türken-Macho, dem - politisch höchst unkorrekt - geraten wird: "Lade dir doch erst mal einen Hauptschulabschluss herunter!"

VOLLIDIOT, D 2007 - Regie: Tobi Baumann. Buch: Tommy Jaud, Christian Zübert. Nach Tommy Jauds Roman. Kamera: Jo Heim. Musik: Stefan und Cecil Remmler. Mit: Oliver Pocher, Oliver Fleischer, Tanja Wenzel, Anke Engelke, Ellenie Salvo González, Tomas Sinclair Spencer, Herbert Feuerstein, Julia Stinshoff, Jana Pallaske. Senator, 102 Minuten.

© SZ vom 12.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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