Neu im Kino:Kanal des Schweigens

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John Travolta in John McTiernans Thriller "Basic" - einem Film aus dem Niemandsland zwischen diversen Genres.

Von Fritz Göttler

Alles zurück auf Anfang, die ganze Geschichte noch mal von vorn . . . das ist die simple Erfolgsformel in Hollywood, jener phänomenologische Grundsatz, auf dem alles Erzählen basiert im amerikanischen Kino. Das Rashomon-Prinzip: Zu jeder Geschichte, die wir erzählt bekommen, gibt es mindestens eine zweite Fassung, in der alles ganz anders war und die dennoch als ebenso wahr gelten darf.

John Travolta (Foto: Foto: RTL Kino)

Mit Kurosawas "Rashomon" teilt dieser Film den Regen, der nicht nachlassen will, der die Nacht mit seinem Rauschen erfüllt, der die Landschaften hinter einem Schleier versteckt und fahrige Schatten über die Wände der Baracken huschen lässt, der die Erinnerungen verwischt und die Sinne der Menschen trübt, die sich um die Wahrheit bemühen.

Man muss sich in Geduld üben angesichts der Dominanz des Regens, muss sich Zeit nehmen, und dafür war John McTiernan, der Regisseur von "Die Hard" und "Rollerball", gerade der richtige Mann. "Er ist völlig einschüchternd", erzählt der Drehbuchautor James Vanderbilt: "Er spricht ganz leise. Nicht der Typ, der ein Problem mit dem Schweigen hat. Fürchterliche Schweigephasen haben nichts Fürchterliches für ihn. Normalerweise stürzen die Leute sich hinein und füllen die leeren Räume. Er sitzt einfach da . . ."

Panamakanal, Fort Clayton, Ende der Neunziger, kurz nach dem Hurrikan Beth. Krankheit, Einsamkeit, Drogenschmuggel bestimmen die Atmosphäre. Von einer Patrouille der dort stationierten Rangers sind nur zwei Überlebende zurückgekommen, die Frage stellt sich, was geschah mit den übrigen - und wo ist Sergeant West (Samuel L. Jackson) geblieben, der notorische Schleifer der Einheit.

Tom Hardy wird herbeizitiert, Ex-Ranger und - wegen Bestechung verstoßener - Drogen-Fahnder, nahe dran in den Suff abzukippen und in grenzenloses Selbstmitleid. Eine Rolle wie geschaffen für John Travolta - zumal er sich in Fort Clayton mit Leutnant Julia Osborne konfrontiert sieht (Connie Nielsen), die eigene Vorstellungen von dem Fall hat.

Es hat so viele Drehbuchfassungen und Rewrites für diesen Film gegeben, dass man die Konfusion des Geschehens und der Untersuchung schnell als ganz natürlich hinnimmt - bis zum Rollen-, zum Identitätenwechsel.

"Wenn man hier etwas macht, was nicht auf die alten Formeln hinausläuft", erklärt Regisseur McTiernan, "dann fangen wir blinden Männer alle an, unsere Vorstellungen darzulegen, wie der Elefant aussieht.

Und in einem Filmstudio gibt es eine Million Blinde, die dir verkünden, wie der Elefant ist. Ich dachte von Anfang an, dies sei ein romantischer Thriller, wegen John und Connie . . ."

Der Film ist im Niemandsland zwischen diversen Genres lokalisiert - bei Travolta denkt man natürlich an "Die Tochter des Generals" und bei Connie Nielsen an Friedkins "Die Stunde des Jägers". Und bei den Deckenventilatoren blitzen Erinnerungen auf an "Apocalypse Now", an den Beginn von Amerikas großem Trip in die eigene Psyche.

Aber der Horror hat sich nach über zwanzig Jahren verflüchtigt, eine beunruhigende Gleichgültigkeit ist an seine Stelle getreten. Und nach einer langen Regennacht endet die Geschichte von "Basic", soviel sei verraten, in einem fröhlichen Karneval. Das ist dem großen fernen Vorbild, dem Meister Kurosawa, irgendwie angemessen.

BASIC, USA 2003 - Regie: John McTiernan. Buch: James Vanderbilt. Kamera: Steve Mason. Schnitt: George Folsey Jr. Musik: Klaus Badelt. Mit: John Travolta, Connie Nielsen, Samuel L. Jackson, Giovanni Ribisi, Brian Van Holt, Taye Diggs, Tim Daly, Harry Connick Jr., Roselyn Sanchez. Universum, 95 Minuten.

© SZ vom 17.9.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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