Nachruf:Ansteckende Energie

George Froscher begründete seine eigene Theaterästhetik. (Foto: Volker Derlath)

FTM-Gründer George Froscher 88-jährig gestorben

Von Silvia Stammen, München

Es gab Zeiten, da hieß das weltweit bekannteste Münchner Theater nicht Resi oder Kammerspiele, sondern FTM. Das Kürzel steht für Freies Theater München und das vertritt - vertrat, muss man jetzt wohl sagen - einen absolut unverwechselbaren, vehement physischen und lustvoll politischen Sprech- und Bewegungsstil, den sein Gründer George Froscher zusammen mit seinem Kunst- und Lebenspartner Kurt Bildstein Anfang der Siebzigerjahre erfunden hat. Dank Goethe-Institut reiste das FTM rund um den Erdball, von Afrika bis Südamerika, von Israel bis nach Neuseeland und setzte Maßstäbe für künstlerische Entwicklungen.

Die Sprache aus dem Körper holen, Denken als physischen Prozess begreifen - wer mitmachen wollte, musste sich erst mal einem speziellen Bewegungs- und Stimmtraining unterziehen. Für viele war das damals eine Initialzündung. Froscher forderte Haltung und machte Theater, das schon in seiner Form Stellung bezog. Seine bildstarken Produktionen basierten auf Texten wilder Denker, von Jakob Michael Reinhold Lenz über Büchner, Dostojewski, Genet und Karl Valentin bis zu Toller, Schleef und immer wieder Heiner Müller, der ihm seine "Hamletmaschine" noch als Manuskript zuschickte.

1927 in Berlin geboren, begann er in den Fünfzigerjahren als Tänzer beim Folkwang-Ballett unter Kurt Jooss, ging nach Paris, wo er kurze Zeit bei Jean-Louis Barrault spielte, und anschließend nach New York, um etwa bei Martha Graham, dem Living Theatre oder La Mama seine Sinne für ein Theater jenseits bürgerlicher Konventionen zu schärfen. Seine unbändige Kraft hat er sich fast bis zum Schluss erhalten. Am vergangenen Dienstag ist George Froscher in seiner Münchner Wohnung gestorben.

© SZ vom 16.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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