Nachrichten aus dem Netz (46):Zwischen Lüge und Wahrheit

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Vernebelt das Internet Wahrheiten, weil Irrtümer oder Lügen nur oft genug wiederholt werden müssen, um die Google-Trefferliste zu dominieren? Oder erleichtert das Netz die Gegenrecherche und die Aufdeckung von Täuschungen?

Niklas Hofmann

Vernebelt das Internet Wahrheiten, weil Irrtümer oder Lügen nur oft genug wiederholt werden müssen, um die Google-Trefferliste zu dominieren? Oder erleichtert das Netz die Gegenrecherche und die Aufdeckung von Täuschungen?

Lügen, um die Google-Trefferliste zu dominieren? (Foto: Foto: AP)

Farhad Manjoo, Blogger und Journalist des angesehenen amerikanischen Online-Magazins Salon.com neigt zur ersten These. In seinem gerade veröffentlichten Buch "True Enough. Learning To Live In A Post-Fact Society" analysiert er eine Gesellschaft, deren Mitglieder sich nicht mehr auf Fakten und Wahrheiten einigen könnten.

Schuld sei neben Kabelnachrichtensendern und Talkradios vor allem das Internet. Der eingefleischte Online-Mann Manjoo sieht sich dabei nicht als Maschinenstürmer. Aber die schnellere Verbreitung von Wissen sorge nun mal dafür, dass sich auch Lügen schneller ausbreiteten denn je.

Freundlich, aber entschieden widerspricht der Autor Steven Johnson vom Konkurrenzmagazin Slate.com in einer E-Mail-Debatte dem Pessimismus Manjoos. Es gebe zwar mehr Lügen im Netz als je zuvor in der Öffentlichkeit, zugleich aber eben auch viel mehr Wahrheiten. Die USA sei heute weniger anfällig für Verschwörungstheorien als noch vor Jahrzehnten. In seiner Kindheit in den siebziger und achtziger Jahren seien eine Vielzahl moderner Mythen im Umlauf gewesen, "aber wir hatten Snopes.com nicht, um sie zu entlarven".

Snopes.com, nach einer Romanfigur William Faulkners benannt, wird von dem Ehepaar Barbara und David Mikkelson betrieben, die sich seit 1995 mit gründlichen Recherchen einen guten Ruf erworben haben.

Die Mikkelsons gehen nicht nur modernen Großstadtmythen auf den Grund, sondern auch den jeweils aktuellsten Gerüchte etwa des Präsidentschafswahlkampfs. Obama etwa ist ihrer Meinung nach kein Anhänger des Islam, wie es seit vier Jahren ein hartnäckiges Netz-Gerücht behauptet.

Auf die Aufklärung durch das Netz baut auch Fred R. Shapiro, Verfasser des 2006 erschienenen "Yale Book of Quotations". Shapiro setzt sich vom traditionsreichen Zitat-Lexikon "Bartlett's" besonders durch umfangreiche Recherche nach Erstbelegen ab, für die er auf Online-Datenbanken zurückgreift. Über den Technologie-Blog "Bits" der New York Times bat Shapiro nun vergangene Woche die Leser um Hinweise zu einer ganzen Reihen von Zitaten, die in der digitalen Welt populär sind.

Dass etwa Bill Gates einst gesagt haben soll, 640 Kilobyte Speicherplatz seien ausreichend für jedermann, wird vom Microsoft-Gründer zwar seit langem dementiert. Dennoch taucht der Satz immer wieder auf. Shapiro hält das Zitat für apokryph, sucht aber die Quelle, die Gates die Äußerung zuerst zugeschrieben haben könnte. Nach dem Tipp eines Lesers konnte er sie bereits um zwei Jahre zurückdatieren.

© SZ vom 31.03.2008/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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