Nachrichten aus dem Netz:"Regieren ist kein Zuckerschlecken"

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Harald Schmidt kommentiert die Kleidung seiner Praktikantin und Angela Merkel klagt übers Regieren: Die Kultur des Twitter-Fakes.

Tobias Moorstedt

Harald Schmidt ist zurzeit bekanntlich nicht in Topform, und vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass zunächst niemand stutzig wurde, als die Old Media-Ikone begann, über den populären Mikroblogging-Dienst Twitter "die Bauernregeln des Tages" zu verschicken und den Kleidungsstil der Praktikantin zu kommentieren. Unter dem Namen "BonitoTV", der Produktionsfirma von Schmidt, erzählte er von Theaterproben und kündigte den Start der neuen Firmenwebseite an.

Kaum jemand wunderte sich, dass die Bundeskanzlerin - die einen Video-Podcast betreibt - plötzlich zu twittern schien. (Foto: Foto: dpa)

Der Micro-Blog wurde von Tausenden von Menschen verfolgt und von nationalen Boulevardmedien zitiert. Dabei ist unklar, ob Schmidt überhaupt weiß, was Twitter eigentlich ist. Die getwitterten Bauernregeln hat er jedenfalls nicht zu verantworten: Ende vergangener Woche outete sich der deutsche Comedian Rob Vegas als Autor des Blogs, und deckte so nicht nur die mangelhafte Recherchearbeit der Zeitungen und Magazine auf, sondern rückte die psychotrope Kultur des so genannten Twitter-Fakes auf unterhaltsame Art und Weise in den Fokus der Öffentlichkeit.

Der Web-Dienst, mit dem man Nachrichten von einer Länge von bis zu 140 Anschlägen an eine unbegrenzte Anzahl von Nutzern (auf twittersch: Followern) verschicken kann, wird von Privatpersonen ebenso genutzt wie von seriösen Nachrichtenmedien wie CNN, und wer wunderte sich wirklich, dass auch die Bundeskanzlerin, die ja bekanntlich seit einiger Zeit einen Video-Podcast betreibt, plötzlich zu twittern schien. Am Wochenende schickte Angela_Merkel die Nachricht: "Regieren ist kein Zuckerschlecken: Überstunden für den Weltfrieden".

Der Tonfall outet den Twitter-Feed von Merkel schnell als satirische Simulation, aber nicht alle Fake-Seiten von Politikern sind derartig krude und übertrieben. Twitter wird so zu einem wunderbaren Beispiel dafür, wie Konsumenten in der digitalen Mediengesellschaft jede Botschaft auf ihre Authentizität prüfen müssen. Ist das plausibel? Ist das echt?

Frisch in Erinnerung ist noch, dass am 1. April 2009 unter dem Twitter-Kanal as_corporate vermeldet wurde, dass der Axel-Springer-Verlag für 1,6 Millionen Euro die Firma Twitter gekauft habe. Erste Blogs vermeldeten die Sensation, bevor die Autoren noch auf den Kalender gucken konnten. Im High-Speed-Milieu des Internets ist immer der 1. April.

© SZ vom 27.04.2009/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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