Nachrichten aus dem Netz (70):"Enteignet Springer!"

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Bild bezeichnet den Chef eines konservativen Online-Magazins ohne Rücksicht auf dessen Protest als "Rechtsextremen" - jetzt nehmen ihn selbst linke Blogger und der Verfassungsschutz in Schutz.

Marc Felix Serrao

Blogger freuen sich über Aufmerksamkeit, je mehr, desto besser. Wenn Bild berichtet, könnte man vermuten, dass sich die Betroffenen in grinsende Emotikons verwandeln. Bei Felix Menzel, 23, Chefredakteur der Internetseite "Blaue Narzisse", war das Gegenteil der Fall.

"Schwarzweißbild gezeichnet, das sich in großen Lettern verkaufen lässt": Der umstrittene Artikel im Online-Auftritt des Boulevardblatts (Foto: Screenshot: sueddeutsche.de)

Vergangene Woche erschien im Boulevardblatt ein Text mit dem Titel: "Wie rechts ist die Junge Union?" Unterzeile: "Neonazi bei Partei-Seminar". Gemeint war Menzel, laut Bild ein "ultrarechter Burschenschaftler" (nicht Burschenschafter?).

Er soll im Juni vor Hamburger JU'lern einen Vortrag gehalten haben. Unter dem Titel "Mit gleichen Waffen zurückschlagen" habe er erklärt, wie man linke Aktionen stören könne. Und weil die JU später wirklich eine Veranstaltung der Initiative "Eine Schule für alle" störte, fragte Bild nun: "Ein Rechtsextremer als Ideologe der Hamburger CDU-Jugend?"

Ein Schelm könnte meinen, dass es Bild um so etwas wie historische Gerechtigkeit geht. Nach dem Motto: Früher haben wir alle irgendwie Linken unter Extremismusverdacht gestellt, da sind jetzt mal die Rechten dran. Dass hinter der "Blauen Narzisse" keine Neonazis stecken, scheint egal zu sein.

Wahr ist: Das Online-Magazin, das es in Chemnitz auch als gedrucktes Jugendmagazin gibt, ist offen rechts, sogar stramm. In aktuellen Beiträgen befassen sich Menzel und die anderen Autoren kritisch mit dem linken Soziotop Kreuzberg oder einer Antifa-Demo gegen Abtreibungsgegner und freuen sich über den Wahlerfolg der FPÖ ("In Deutschland würde es genauso aussehen, wenn es eine wählbare Mitte-rechts-Partei geben würde").

Aber rechtsextrem? Hätte jemand wie Henryk M. Broder Neonazis ein Interview gewährt (9. Oktober 2007)? Im Blog schreibt Menzel, er habe Bild "eindringlich" erklärt, "dass ich entschieden jede Form eines rassisch begründeten Sozialismus ablehne und nichts mit Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zu tun habe".

Egal. Laut Bild ist Menzel im "braunen Sumpf" zu Hause. Ob der Autor, Olaf Schiel, schon mal etwas von Seiten wie "Altermedia", "Media Pro Patria" oder den Webauftritten der Jungen Nationaldemokraten gehört hat? Da steht er wirklich im Sumpf.

Nicht nur die "Blaue Narzisse" quillt über vor empörten Kommentaren ("Enteignet Springer!"). In der - politisch neutralen - "Readers Edition" schrieb ein Autor "Neonazi? Das glaubt der Bild-Redakteur doch wohl selber nicht." Selbst die linke Seite "Endstation rechts" nahm Menzel in Schutz: Sicher könne man dessen politische Haltung "zum Kotzen finden", heißt es da. Das mache ihn aber nicht zum Neonazi: "Dank der Denkschablone Rechtskonservativer = Rechtsradikaler = Rechtsextremer = Faschist = Neonazi ist schnell ein Schwarzweißbild gezeichnet, das sich in großen Lettern verkaufen lässt."

Krass seien nur die Folgen. Etwa, wenn Menzel in ein paar Jahren einen Job suche, die Personaler dann seinen Namen googeln und über die "Neonazi"-Einträge stolpern.

Menzel selbst erwägt, sich juristisch zu wehren, gegen Bild und auch gegen das Hamburger Abendblatt und die Hamburger Morgenpost, die einen Tag später mit gleichem Tenor berichteten - ohne vorher ein Wort mit ihm zu sprechen. Geschweige denn sonst irgendwie zu recherchieren.

Im Abendblatt heißt es, der sächsische Verfassungsschutz würde Menzels Burschenschaft "rechtsextremistische Bestrebungen" attestieren. Anruf beim Verfassungsschutz: "Die pennale Burschenschaft Theodor Körner und das Internetportal ,Blaue Narzisse' sind für uns keine Beobachtungsobjekte. Das heißt, es gibt keine ausreichenden Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen."

© SZ vom 20.10.2008/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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