Musikmesse Midemnet:Ex und hopp!

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Die Experten des Virtual Music Business suchen in Cannes bei der weltweit größten Branchenmesse Midemnet nach dem Kunden, der auch zahlt.

Ralf Dombrowski

Der Satz ist ein Schlag ins Gesicht. "Ich lade mir meine Musik herunter, höre sie eine Zeit lang an und dann schmeiße ich sie wieder weg", meint der Proband einer Testgruppe zwischen 16 und 20 Jahren. Die Businessprofis im Saal des Palais des Festivals in Cannes schauen betreten zur Seite.

Das ist nicht die Einstellung, die sie hören wollen. Und doch sind es genau diese User, mit denen sie gerne Umsatz machen würden und die für die meisten Unternehmen noch immer Feinde - Stichwort P2P - oder einfach ein Rätsel sind.

Ein Satz einer anderen Testperson derselben Feldstudie: "Ich habe immer noch CDs!", ein Faktum, das besonders betont wird und der Musikindustrie ebenfalls zu denken geben muss. Obwohl der Tonträger als solcher bereits seit einem knappen Jahrzehnt mit unterschiedlichem Nachdruck zu Grabe getragen wird, scheint die Agonie sich weiter beschleunigt zu haben.

Mehr ist nicht mehr drin

Die CD taugt jungen Konsumenten als Geschenk, bestenfalls als Devotionalie einer Band, die man besonders verehrt. Mehr aber ist nicht mehr drin. Larry Kenswil, Chef der Universal Music Group - elabs (US), bestätigt indirekt diese Beobachtung, als er auf dem Podium meint, im vergangenen Jahr habe in den Staaten kein Album mehr als vier Millionen Exemplare verkauft, was gerade mal ein Viertel früherer Spitzenwerte ist.

Noch eine Zahl. Laut dem Leiter der Video-Seite "GoFish" Michael Downing werden allmonatlich 10 Milliarden (!) Video-Streams weltweit ins Internet gestellt. Und das, obwohl die populärsten Seiten des User Generated Contents, also der von Privatleuten selbst produzierten (und manchmal auch geklauten) Inhalte, wie MySpace und YouTube erst während des vergangenen Jahres Gas gegeben haben.

Revival des siechenden Mediums

Auch diese Entwicklung wird von der Branche mit viel Skepsis beobachtet. Wie schon damals, als die Tauschbörsen im Web Fuß fassten, ohne dass die Industrie davon etwas abbekam, scheint sich mit diesen ersten funktionierenden Web 2.0 Modellen der Konsument zu verselbständigen.

"Unser größtes Problem ist die Kontrolle der Inhalte. Audio Watermarking, das ist machbar. Aber Video Watermarking ist bislang utopisch", meint Mika Salmi von MTV Networks und dämpft damit die kurzzeitig auflodernde Euphorie, dass die Freude am User Generated Content zu einem Revival des siechenden Mediums Video-Clip und damit zu völlig neuen, personalisierten Formen der Web-Promotion geführt hat.

Kontrolle aber sei wichtig, heißt es weiter, damit kein Schmuddel- oder Terrorkram verbreitet werden kann, der nicht nur Teenies am PC, sondern auch Werbekunden und Sponsoren verschrecken könnte. Mal ganz abgesehen von der Moral. Und so wird vor allem eines klar. Musik und Bilder sind inzwischen im weltweiten virtuellen Community-Netzwerk noch schwerer in den Griff zu bekommen oder gar in eine Bezahlstruktur zu überführen als bisher. Der Herausforderung hat gerade erst begonnen.

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