Münsteraner "Tatort":Mord ist Nebensache

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Zwar geht es im Münsteraner "Tatort" vor allem um das Karma der Ermittler. Doch im aktuellen Fall wird das skurille Stammpersonal um einen imposant unbeholfenen Protagonist bereichert.

Eva Marz

Unter den in derzeit 15 verschiedenen deutschen Städten spielenden Tatorten der ARD gibt es keinen, bei dem die Fälle, die Verdächtigen und die Überführung eines Täters eine derart untergeordnete, ja eigentlich nebensächliche Rolle spielen würden wie bei dem aus Münster.

(Foto: Foto: AP)

Stattdessen stehen im Münsteraner Tatort klar der blonde Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und sein blasierter Gerichtsmediziner Prof. Karl-Friedrich Boerne im Mittelpunkt. Vielen gelten sie als Deutschlands lustigstes Ermittler-Team.

Alles ist um das wie ein zänkisches Liebespaar vornehmlich mit sich selbst beschäftigte Komiker-Duo organisiert, das über seiner unentwegten Kabbelei auch mal vergisst, seiner eigentlichen Arbeit nachzugehen: Szenen einer Ehe, sozusagen. Dazu kommt eine das spezielle Paar umgebende Entourage aus weiteren poetischen Gestalten. Die zwergenwüchsige Pathologin Alberich (ChrisTine Urspruch), die in den Transvestismus changierende Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) und der jeglichem Berufsalltag ferne Vater Herbert Thiel (Claus D. Clausnitzer) öffnen hier die Erzählmöglichkeiten des Krimis auf die Ensemblekomödie hin.

Das hat auch zur Folge, dass der Münsteraner Tatort mitunter an das historische Zirkus-Modell der Freak Show erinnert. Es geht um das Spektakuläre, um eine Ausstellung menschlicher Raritäten.

Der aktuelle Fall "Krumme Hunde" (Buch: Stefan Cantz, Jan Hinter) bereichert das Stammpersonal um die imposant unbeholfene Promenadenmischung Wotan, einziger Hinterbliebener eines ermordeten Sicherheitsmannes. Überhaupt geht es diesmal um Hinterlassenschaften. Die Story ist, wie häufig in Münster, weniger linear aufgebaut als dem Prinzip der einkreisenden Verdichtung eines Themas verpflichtet.

Deshalb gibt ein reicher, 100 Jahre alter Erbonkel Boernes ein schillerndes Motiv ab, ferner die wertvollen Patente eines dahingeschiedenen Industriellen, außerehelich gezeugte Kinder verunsichern eine Erbengemeinschaft und eine deutschstämmige Abgesandte indischer Hindukultur sorgt sich um das im Lauf der Wiedergeburten beschädigte Karma von Kommissar Thiel.

Das Ganze funktioniert nach dem Muster einer Sonntagabend-Comedyshow, in der die unterschiedlichen Figuren und Spielorte vor allem dazu da sind, dem eingespielten ungleichen Paar Boerne und Thiel immer neue szenische Gelegenheiten zu eröffnen - fast so, als sei das ihre eigene Show.

Tatort - "Krumme Hunde", ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

© SZ vom 17.05.2008/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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