MTV Video Music Awards:Noch ein Kandidat

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"Ach Nicki, wir wissen doch alle, wie's läuft: Wir geben Interviews und sagen manipulative Sachen." Miley Cyrus zu Nicki Minaj (im Blitzgewitter). (Foto: Frazer Harrison/AFP)

Die Neuigkeit bei den "VMAs" in L.A. war, dass die Veranstaltung nun in ihre medienpädagogische Phase eingetreten ist. Und Kanye West möchte der nächste amerikanische Präsident werden.

Von Jan Kedves

Dass die "MTV Video Music Awards" eine gigantische News-Generierungsmaschine sind, bei der es nebensächlich um Popvideos geht, dafür umso mehr um Dankestränen, pompöse Performances, Sticheleien zwischen Stars und andere Neuigkeitswerte, ist keine Neuigkeit. Es gäbe auch gar keinen Grund, daran etwas schlecht zu finden, denn alle werfen sich ja schön ins Zeug: Miley Cyrus tritt mit The Flaming Lips und dreißig Dragqueens aus der TV-Show "Ru Paul's Drag Race" auf; Justin Bieber singt einen neuen Song und tanzt dazu einen lustigen Kicktanz, bei dem ein Bein nach vorne und hinten fliegt, wie beim holländischen Techno; Nicki Minaj und Taylor Swift feiern eine Federorgie wie beim Karneval in Rio. Es war ein unterhaltsamer Sonntagabend.

Die Neuigkeit bei den diesjährigen "VMAs" in L. A. war, dass die Veranstaltung nun in ihre selbstreflexive, wenn man so will: medienpädagogische Phase eingetreten ist. Das heißt, es ist den Stars jetzt problemlos möglich, genau die Art der News-Generierung, für welche die Show steht, pseudokritisch transparent zu machen, dafür bejubelt zu werden und dabei noch mehr News zu generieren.

Ein kleines und ein großes Beispiel, das kleine zuerst: Als die Rapperin Nicki Minaj ihre Trophäe für das beste Hip-Hop-Video des Jahres entgegennahm ("Anaconda"), beschimpfte sie die Sängerin Miley Cyrus, die diesmal moderierte, als "Bitch" (Schlampe). Irgendwie ging dem Ganzen eine Fehde voraus, die zu verfolgen nicht lohnt. Es reicht zu wissen, dass Cyrus' Retour sinngemäß lautete: "Ach Nicki, wir wissen doch alle, wie's läuft: Wir geben Interviews und sagen manipulative Sachen."

Das andere große Beispiel: Kanye West. Der Rapper bekam einen Preis für seinen bisherigen Einfluss auf die MTV-Kultur. Dieser Einfluss besteht vor allem darin, dass er bei den VMAs 2009 auf die Bühne stürmte und Taylor Swift eine Trophäe aus der Hand riss. Diesmal verwandte West viel Redezeit darauf zu betonen, er "verstehe" die VMAs nicht: MTV würde daraus, dass Swift ihm nun diesen Preis überreiche, sie also "versöhnt" seien, eine große Sache machen und die Einschaltquote nach oben treiben. Und dann sagte er noch, er wolle 2020 als Präsident kandidieren.

Als Rap-Kunst betrachtet, war das ein grandioser rhetorischer Punch - der Satz, der von den diesjährigen VMAs in Erinnerung bleiben wird. Als Medienmanöver war er auch nicht schlecht: Bei den nächsten VMAs kann West sich wahlweise darüber auslassen, dass er ernst genommen wurde. Oder eben nicht.

© SZ vom 01.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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