Monty Python:Die Überflieger

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Aus der Serie TV-Serienklassiker: Blödeln für Deutschland - mit "Monty Python's Flying Circus" wagte sich die ARD an eine völlig andere Art von Humor.

Stefan Fischer

Im Sommer 1971 passierte etwas sehr Komisches mit dem deutschen Fernsehen: Für einen Moment sah es so aus, als hätte die ARD an sich einen Humor entdeckt, der seiner Zeit hierzulande weit voraus war. Darüber ist die Sendeanstalt so erschrocken, dass sie sich schnell selbst geißelte, mit 20 Folgen Nonstop Nonsens.

Die Monty-Python-Crew im Uhrzeigersinn von links oben: Terry Gilliam, John Cleese, Michael Palin und Terry Jones (Foto: Foto: AP)

In diesem sagenhaften Sommer tätigte der noch eigenständige Süddeutsche Rundfunk (SDR) einen tollkühnen Kauf: Er erwarb von der BBC die Rechte an zehn Episoden Monty Python's Flying Circus. Weil aber deutsche Fernseh-Angestellte schon immer am besten wussten, was lustig ist, schnitt der SDR das Material neu und bastelte aus den originalen Folgen flugs sieben nach eigenem Geschmack. Unangetastet blieb nur jene Episode, die im April 1971 beim Fernsehfestival in Montreux eine Silberne Rose gewonnen hatte.

Bioleks irrwitziger Einfall

Zu der Zeit, als der SDR mit der BBC verhandelte, setzte seinerseits ein junger Hauptabteilungsleiter der Bavaria einen irrwitzigen Einfall in die Tat um, den er bereits vor Montreux gehabt haben muss: Er lud Monty Python's Flying Circus ein, sein Zelt in der ARD aufzubauen. Später erst erkannte man, welchen Weg jener Alfred Biolek da - nebst dem SDR-Abteilungsleiter Edwin Friesch - geebnet hatte, und seither lassen sie ihm in der ARD aus Dankbarkeit viel durchgehen. Biolek ist wie John Cleese Jurist, hat über englisches Recht promoviert, vielleicht rührte daher das frühzeitige Gespür für die sperrige Genialität von Cleese und Co. - egal, für seinen Heldenmut anno '70/71 könnte man Biolek weitere zwölf Jahre Alfredissimo zugestehen.

Von 28.Juni 1971 an drehten John Cleese, Graham Chapman, Terry Jones, Eric Idle, Michael Palin und Terry Gilliam in München Monty Python's Fliegender Zirkus: Blödeln für Deutschland - in deutscher Sprache, die keiner der sechs Komiker beherrschte. Neben Biolek trifft man im Umfeld der Produktion übrigens auf weitere prominente Namen: Geschnitten hat den Fliegenden Zirkus Hannes Nikl, später Cutter bei Wolfgang Petersens Das Boot. Und der Vertragspartner der Bavaria beim WDR war der damalige Fernsehdirektor Peter Scholl-Latour.

Auf die feine englische Art

Zwar legte die Bavaria ein Jahr später noch Blödeln auf die feine englische Art nach, in englischer Sprache gedreht und nachträglich synchronisiert. Aber schon über die Niederlage deutscher Fußballer gegen eine Elf griechischer Philosophen hatten die Senderverantwortlichen wohl nicht so herzlich gelacht, als dass sie von derlei mehr hätten zeigen wollen. Es dauerte 22 Jahre - gerechnet vom 5.Oktober 1969, als BBC1 die erste Folge ausstrahlte - ehe die ARD sich wenigstens nächtens in seinen Dritten Programmen traute, 45 Sendeplätze "for something completely different" freizuräumen. Es war in der Tat etwas vollkommen anderes, auch Anfang der neunziger Jahre noch.

Der Besuch von Monty Python's Flying Circus war kein Familienausflug - schon der Sprachschranken wegen. Das Fernsehen war einmal nicht Sammelplatz der Familie, sondern einer Clique. Die Sketche waren Pausenhofgespräch, das Ansehen von Mitschülern stieg mit ihrem Humorverständnis. Im FlyingCircus wurde nicht geblödelt. Otto Waalkes blödelte. Bei Monty Python entstand Komik aus der Situation, nicht aus einer finalen Pointe. Wenn sich die Zirkuskünstler doch einer Schlusspointe bedienten, dann der, dass ein 16-Tonnen-Gewicht auf sie rummste, ehe sie einen Sketch beendeten.

Absurdes haben die fünf Engländer und der Amerikaner Gilliam vollkommen gewöhnlich dargestellt, etwa ein Ministerium für alberne Gangarten oder eine Meisterschaft zur Ermittlung des Obertrottels der feinen Gesellschaft. Die 45 Folgen haben entschieden zu einer gesunden zynischen Distanz zum Leben beigetragen und zur Immunität gegenüber verlogener political correctness.

In Monty Python's Flying Circus bekamen alle eine Abreibung. Cleese und Co. gelang es, sich zugleich über Deutsche und Engländer zu mokieren. Über Deutsche, indem sie Hitler und Himmler nachäfften, die nach dem Krieg als Mr.Hilter und Mr.Bimmler bei einer Nachwahl für das britische Unterhaus einen Neuanfang versuchen. Über Engländer, indem einer den schnarrenden Schnauz fragt: "Kenne ich Sie nicht? Aus dem Fernsehen?" Der Sketch war der Gegenbeweis, dass Fernsehen zwangsläufig die Verblödung befördere.

© SZ vom 21.9.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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