Michael Jackson ist zurück im Spiel:Der King of Coke

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Ein verschuldeter Sänger im Merchandising-Nirwana und Fans, die ihm fast fanatisch die Treue halten: Michael Jacksons Comeback-Ankündigung ist eine grandiose Lektion in Popkultur.

Julia Grosse

Die Szenen, die sich gestern ab den Mittagsstunden abspielten, hatten nichts mehr mit Lächerlichkeit zu tun. Es wirkte plötzlich auch viel zu einfach, sich über die Absurdität der Figur Michael Jacksons auszulassen, dafür bietet der "King of Pop" an sich schon eine viel zu einladende Angriffsfläche.

"Ich liebe Euch alle. Danke Euch allen. Das ist es": Michael Jackson in Fliegerbrille und Glamouruniform bei der Pressekonferenz in London . (Foto: Foto: Getty)

Was unzählige Fans in der gigantischen Eingangshalle der O2-Arena, dem Konzertmonster Londons, demonstrierten - das Kreischen an der Ohnmachtsgrenze, das Wimmern, die verzweifelten, stereotypen "Michael!"-Rufe - all das war eine grandiose Lektion in Popkultur. Dass sie ihm fast fanatisch die Treue halten und mehr oder weniger jeden Skandal verzeihen - daran erkennt man den wahren King of Pop.

Die Ankündigung eines Mega-Comebacks und neuen Albums des Fünfzigjährigen war in den vergangenen Jahren fast schon zum Running Gag geworden, als plötzlich auf Jacksons Homepage die Meldung erschien, dass er in London eine Pressekonferenz gebe und alle Fans herzlich einlade. Dieser Aufruf klang zunächst so unrealistisch, als befände man sich in Neverland.

Tatsächlich aber stimmte es - und nachdem man eine Flughafen-Scan-Kulisse passiert hatte, konnte jeder ihn sehen. Ein bisschen erinnerte diese Großzügigkeit auch an eine Kopie der O2-Tour von Konkurrent Prince, der in der Arena vor zwei Jahren 21 Nächte gespielt und für alle Tickets nur 21 Pfund verlangt hatte.

Jackson dagegen steckt in einer Finanzklemme und erhofft sich mit über dreißig angekündigten Konzerten in der Arena nun Entlastung. Die Bühne war umringt von grellen rot-weißen Bannern: "King of Pop. Michael Jackson. This is it." Diese mehr als offensichtliche Nähe zu Coca Cola hatte fast einen selbstironischen Ton - Jackson scheint nun voll und ganz im Merchandising-Nirwana aufgegangen zu sein.

Die Halle füllte sich, doch es wurde auch deutlich, dass Jackson vor zwanzig Jahren, vielleicht auch noch vor zehn, das Dreißigfache der Fläche vollbekommen hätte. Nun sind es 40-jährige Büroangestellte, die damals verstohlen zu "The Man in the Mirror" geknutscht haben, mit Teenager-Nachwuchs im Schlepptau. Denn auch 16-Jährige finden es nicht peinlich, ihren Michael-Jackson-Moment auszuleben, immerhin arbeitet der King of Pop an seinem neuen Album mit aktuellen R'n'B-Stars wie Akon oder Ne-Yo.

Nach eineinhalb Stunden kam dann nicht er, sondern ein Video-Medley seiner Nummer-1-Hits. Die Menge kreischte, und im Grunde hätte es wahrscheinlich nicht einmal gestört, wenn Jackson gar nicht leibhaftig erschienen wäre, so virtuell und unwirklich ist er längst. "Hier kommt der King of Pop!", hallt es schließlich, doch bleibt die Bühne leer. Eine Minute vergeht, zwei Minuten, unzählige Digitalkameras und Handys warten. Nichts.

Als er schließlich auftaucht, ist man für einen Moment sicher, dass er es gar nicht ist. Er hat auffallend glatte Haut und trägt die gewohnte Tracht aus Fliegerbrille und Glamouruniform. Er macht "Ähem", und alles versinkt in hemmungslosem Gejubel. Er sagt "Yes", und die ersten Fans werfen Stoffherzen. Dieser sonderbare Auftritt dauert drei Minuten, vier vielleicht. Wegen der schlechten Akustik und dem lauten Schreien hat im Grunde niemand verstanden, was er eigentlich gesagt hat, außer einem wiederholten, eindringlichen "See you in July". Und genau darum ging es ja auch.

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