Memoiren eines Papstes:Germanien ist nicht barbarisch

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Erstmals gibt es die Autobiographie eines Papstes auf Deutsch: Pius II. gestattet faszinierende Einblicke in sein Leben während der katastrophenerfüllten Zeit der Renaissance.

F. Meier

Heute heißt es für einen Verlag ein hohes Geschäftsrisiko einzugehen, wenn er ein Werk aus dem Humanismus der italienischen Renaissance herausbringen will. Schon dafür, dass sich der Augsburger Sankt Ulrich Verlag auf eine Edition der Lebensbeschreibung des Enea Silvio Piccolomini und späteren Papstes Pius II. in deutscher Übersetzung eingelassen hat, gebührt ihm Anerkennung und Dank.

Humanist und sehr weltoffen: Papst Pius II. auf einem zeitgenössischem Kupferstich. (Foto: Foto: Sankt Ulrich Verlag)

Erstmals wird deutschsprachigen Lesern dadurch das Unikum der Autobiographie eines Papstes zugänglich. Der Wermutstropfen ist nur, dass es sich um eine stark gekürzte Fassung handelt, ohne Anmerkungen und mit einem wenig hilfreichen Nachwort des Übersetzers.

In den "Commentarii" erzählt Piccolomini, wie sein Vorbild Julius Caesar, die Geschehnisse seiner Zeit in der dritten Person.

Höhere Objektivität geht damit nicht einher, der Schilderung liegt eine ausgefeilte Selbststilisierung zugrunde. Berichtet wird der Aufstieg eines hochbegabten, pragmatisch-weltoffenen Sprösslings aus einer verarmten Sieneser Adelsfamilie in einer katastrophenerfüllten Zeit.

Stupende Gelehrsamkeit

In politisch verantwortlicher Stellung erlebt Piccolomini etwa den Fall von Konstantinopel, als Papst hat er Anteil an den unzähligen inneritalienischen Konflikten, die Ende des 15. Jahrhunderts dem Einmarsch der französischen und spanischen Truppen unfreiwillig den Boden bereiten sollten.

Seinen Aufstieg verdankte Piccolomini einer herausragenden Intelligenz und den studia humanitatis, das heißt: einer stupenden Gelehrsamkeit und einer brillanten Rhetorik.

Darauf baute seine steile Karriere auf: Erst arbeitete er als Sekretär für Kirchenhäupter, unter anderem beim Basler Konzil, danach wechselte er an den Hof des Habsburger Kaisers Friedrich nach Wien; 1458 wurde er Papst.

Aus dem Bericht über die Papstwahl geht allerdings hervor, dass der Erfolg auf geschicktes Taktieren und zähes Ringen mit den Wahlberechtigten zurückzuführen war.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, was die Germanen Piccolomini zu verdanken haben.

In seiner Lebensbeschreibung mischen sich autobiographische Erlebnisse mit ethnographisch-geographischen Betrachtungen, die Piccolomini auf seinen Reisen durch Europa machte.

Ihm verdanken wir es, dass die Elite damals aufhörte, Germanien als barbarisch zu verachten; er brachte unser Land wieder zu Ehren - nachdem ihm die kurz zuvor wiederentdeckte Schrift von Tacitus die Augen für die Vorzüge des rauen Volkes geöffnet hatte.

Ohne jede Frage, die "Commentarii" sind ein faszinierender Text, doch nicht in dem Sinne, den der Titel der deutschen Übersetzung nahelegt. Pius II. gehört nicht zu den "berüchtigten Renaissance-Päpsten", mit dem späteren Borgia ist er nicht zu verwechseln.

Er war Humanist und sehr weltoffen. Als Regierungshaupt eines italienischen Staates betrieb er knallharte Politik, bei der er auf gute Sachkenntnisse und noch mehr auf die eigene Redekunst setzte.

Nur eine Art Appetizer

Allein er vermochte weder Frieden unter den italienischen Herrschern und Stadtrepubliken zu stiften, noch die zerstrittenen europäischen Fürsten von der Priorität eines gemeinsamen Kreuzzugs gegen die "Ungläubigen", gegen Mehmet II. zu überzeugen.

Im Zusammenhang der Universitäten ist hierzulande gerne davon die Rede, sich an Amerika ein Beispiel zu nehmen. Das ist gewiss nicht immer sinnvoll, im Fall des editorischen Umgangs mit dem humanistischen Erbe Italiens aber sehr wohl.

Seit Jahren kann Harvard University Press mit Hilfe privater Sponsoren in der Reihe "I Tatti Renaissance Library" die humanistischen Kostbarkeiten in zweisprachigen, mit Anmerkungen versehenen Ausgaben veröffentlichen. Bei uns ist offenbar nur eine Art Appetizer möglich, aber immerhin gibt es den jetzt.

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