Mein erstes Kinderbuch:Lass krachen mit Hopsi

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Wurden Sie auch von einem durchgeschepperten Cartoon-Eichhörnchen und den Zeugen Jehovas ins ABC eingeführt? Unser Autor tippte einst sogar 50 Seiten "Meister Grimbart" für seine Lehrerin ab. Sagenhaft, die Welt der Kinderlektüre.

Hartmut El Kurdi

Ein einzelnes "Lieblingsbuch", einen persönlichen literarischen Nummer-Eins-Hit, hatte ich in meiner Kindheit nicht. Aber es gab viele Bücher, die mich beeindruckten. Zum Beispiel meine ABC-Fibel. Gerne behaupte ich, der Name dieser Fibel sei "Hopsi lässt's krachen" gewesen, aber das ist leider unwahr. Ganz gelogen ist es aber auch nicht.

Knut und sein erstes Buch: Vom frühen Publikationsdrang weiß auch unser Autor. (Foto: Foto: ddp)

"Hopsi" war nämlich der Name des etwas durchgeschepperten, funky Siebzigerjahre-Cartoon-Eichhörnchens, das als Buchstaben-Protagonist beschwingt durch das Buch tänzelte und mich so in den Alphabetismus einführte. Eigentlich ein schöner Anfang.

Vermutlich eine Insel

Ein Jahr später bekam ich ein weniger erfreuliches Druckwerk geschenkt. Es hieß "Auf den großen Lehrer hören" und war ein gediegen irres Kindereinschüchterungsbuch der Zeugen Jehovas. Es wurde mir von einem grauen Männlein überreicht, das meine Mutter an der Haustür für diesen asketischen Endzeit-Club akquirierte.

Ich las das Büchlein auf einen Sitz durch und beschloss augenblicklich, nicht mehr zu lügen, das "Rauchen" von Kaugummizigaretten aufzugeben und mein Leben Gott zu weihen, damit ich nicht am Tage des Gerichts von der Erde gefegt würde. Seitdem weiß ich, dass Literatur etwas bewirken kann. Wenn auch nicht immer Gutes.

Glücklicherweise verlor ich mich literarisch nicht im Theologischen. In unserer Klassenbibliothek lieh ich mir zwölfmal "Die Reiherinsel" aus. Ich habe keine Ahnung mehr, worum es darin ging. Um Reiher? Sicher. Und vermutlich um eine Insel. Aber sonst? Dahin, dahin.

Alle Altersempfehlungen ignorieren

Dann fand ich irgendwo ein schmales Buch über Dachse. Meles meles. So heißt der Dachs auf Latein. Und auf onkelmuffig heißt er "Meister Grimbart". Das stand alles in diesem Bändchen. Und dass Dachse kleine Junghasen aus dem Nest fressen. Ausgerechnet dieses Werk tippte ich Kapitel für Kapitel auf unserer alten Reiseschreibmaschine ab, heftete die 50 Seiten zusammen und überreichte das so entstandene "Buch" meiner Klassenlehrerin mit den stolzen, wenn auch nur formal wahren Worten "Hier, das hab ich geschrieben!" Eindeutig ein früher Schub von Publikationsdrang.

Als ich irgendwann erfuhr, dass man sich für eine Mark in der Stadtbücherei Kassel/Helleböhn einen Leseausweis ausstellen lassen konnte, um damit Bücher auszuleihen, so viele und so oft wie man wollte, glaubte ich, im Paradies angekommen zu sein. Ich plünderte die Regale und ignorierte dabei jegliche Altersempfehlungen und Ratschläge der Bibliothekarinnen.

Ich las alles, kreuz und quer, konsequent eklektizistisch, ganz Kind der Postmoderne: Stevensons "Schatzinsel", Coopers "Wildtöter", die "Drei ???", "Wickie und die starken Männer", Jungs-Fußballbücher ("Elf Freunde müsst ihr sein"), Mädchen-Pferdebücher ("Black Beauty") und etwas später, leicht frühreif, Kishon und Böll in der wirren Annahme, das sei "echte" Literatur. Und eigentlich halte ich es heute noch so: Gelesen wird, was rumliegt. Jenseits von Qualitäts- und Stildiskussionen. Irgendwann kann man schließlich alles gebrauchen.

Hartmut El Kurdi, Satiriker, Theater- und Hörspielautor und Kinderbuchschreiber, lebt in Braunschweig (Deutscher Kinderhörspielpreis für "Angstmän").

© SZ vom 2.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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