Literatur und Pop:Die Reise zum Herz des Soul

Lesezeit: 2 min

Der Münchner Verleger und Autor Matthias Klein ehrt Otis Redding zum 50. Todestag in zwei ganz unterschiedlichen Werken

Von Sabine Reithmaier, München

Matthias Klein ist ein echter Otis-Redding-Fan. Wobei der Ausdruck Fan für einen poetischen Menschen wie ihn per se völlig falsch ist. Schließlich handelt es sich um eine literarische Passion, die den Münchner Verleger seit 50 Jahren umtreibt. Seit 1967 spürt er dem US-amerikanischen Sänger nach, hat ihn sich, so könnte man sagen, einverleibt. Jetzt zu dessen 50. Todestag hat er im eigenen Scaneg-Verlag zwei Bücher herausgegeben, die sich auf verschiedene Art dem Sänger annähern. "Keine reine Hommage", sagt Klein, "es sollte etwas sein, was auch viel mit mir zu tun hat." "Leben und Tod ist Leben" besteht im Kern aus vier Essays, die detail- und kenntnisreich Kleins Recherchen und Überlegungen zu Redding und seinen Liedern widerspiegeln. In "!Königsplatz!" dagegen wählt er mit der Form eines mehrteiligen Oratoriums einen deutlich schwierigeren poetischen Weg.

Der "King of Soul" stirbt, 26 Jahre alt, am 10. Dezember 1967 bei einem Flugzeugabsturz. Sein posthum veröffentlichtes Lied "The Dock Of The Bay" macht ihn weltweit zur Legende. Klein hört von seinem Tod im Club 16, einer BR-Radiosendung, und ist erst erleichtert, dass es sich bei der Hiobsbotschaft nicht um Wilson Pickett handelt. Redding ist ihm unbekannt - noch. Aber was er dann zu hören bekommt, macht ihn neugierig, "ließ langsam eine windige Bö aufkommen, die sich schnell zu einem Orkan entwickelte".

Die Begeisterung des Teenagers verblasst wieder. Doch als er 1991 durch Amerika reist und in Wisconsin die Straßenkarte studiert, erstarrt er. "Da war wieder, der Blitz, der den Orkan zum Schwingen brachte. . ." Reddings Todesort ist nicht weit; Klein läuft das Ufer des Lake Monoma ab, findet den Gedenkstein. Und beginnt in den Wochen, Monaten, Jahren danach mit einer intensiven Recherche nach Material: Fotos, Dokumente und skurrile Verzeichnisse, etwa aller Passeinträge Reddings 1966/67. Klein klappert Aufführungsorte ab, besucht die Big O Ranch, spricht mit dem Produzenten Jerry Wechsler, der ihm das Originalmanuskript jener Rede schenkt, die er bei der Beerdigung hielt.

Klein sucht auch nach einem Bild, das er als Teenager in einem Kalender gesehen hat: die Bergung des toten Otis aus dem Flugzeugwrack. Jahre später findet er das Foto in der Stadtbibliothek von Atlanta auf Mikrofiches alter Zeitschriften - in den Heften selbst sind die Seiten längst herausgerissen. Zum 30. Todestag hätte er gern eine Soul-Ausstellung im Münchner Stadtmuseum gemacht, was nicht zuletzt am fehlenden Geld scheiterte.

Im Essay "Aura", in dem das Institut für auratische Wirkungen zu klären versucht, ob Otis Redding eine Aura für die Ewigkeit erhält, erzählt Klein von einer weiteren Reise, dieses Mal nach Porretta Terme in der Provinz Bologna an Silvester '91. Dort trifft er Graziano Uliani, der seit Ende der Achtziger ein Soulfestival veranstaltet, einen "Tribut für Otis Redding". "Diptychon", der letzte Text, imaginiert Monologe Reddings und einen Dialog zwischen ihm und Nina Simone. Zwei Fotos regten Klein dazu an. Sie belegen ein Zusammentreffen der beiden in einem Hotel in Atlanta.

Nicht so leicht zugänglich ist das Oratorium "!Königsplatz!", gestaltet und geschrieben von Scarlatto Negrentino, seit 35 Jahren das Alter Ego von Matthias Klein. Es stellt den Versuch dar, den Königsplatz mit all seinen Gebäuden in einen poetisierenden Zustand zu bringen. Redding ist der Musikhochschule zugeordnet, einem nationalsozialistischen Bau. Der Klang seiner Stimme, eingeführt von der Nymphe Echo, erfüllt die Räume und vertreibt die Geister derjenigen, die er vertreiben soll, während seine Stimme bleibt. "Er hat dort auch eine Zukunft, die praktisch angewandte Ewigkeit gewissermaßen", findet Klein. Eine Aufführung hat die Leitung der Musikhochschule aber bislang abgelehnt.

Otis Redding: Musik und Poesie ; Dienstag, 12. Dezember, 20 Uhr, La Cantina, Elisabethstr. 53

© SZ vom 09.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: