Literatur als Raubkopie:Harry Potter und die Kopien des Schreckens

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Raubkopien im Internet bedrohen die Musik- und Filmindustrie. Nun machen kostenlose eBooks auch den Verlagen Konkurrenz.

Bernd Graff

Seit fast zehn Jahren versuchen die Musik- und die Filmindustrie, der Raubkopien im Internet Herr zu werden. Denn sie sehen ihre Geschäfte durch immer mehr illegal hergestellte und kostenlos kursierende Kopien ihrer Werke bedroht. Die Gegenwehr der Branche gelingt zum Teil spektakulär - etwa wenn sogenannte Tauschbörsen auf Anordnung von Gerichten geschlossen werden müssen. Der Musiktauschdienst Napster musste so im Jahr 2001 sein illegales Wirken einstellen. Im April 2009 wurden die Betreiber der Website The Pirate Bay mit drastischen Strafen belegt. Allein - das illegale Vervielfältigen von urheberrechtlich geschütztem Material will kein Ende nehmen. Doch während sich die Begriffe illegale Raubkopie und Internet-Piraterie bislang nur auf Musik und Movies zu reimen schienen, blieb eine Kunstsparte verschont: Die der Buchautoren und ihrer Verleger.

Illegaler Datentausch: Auf der Website "Pirate Bay" gibt es neben Musik und Filmen inzwischen auch eBooks und Hörbücher. (Foto: Screenshot: sueddeutsche.de)

Illegale Digitalschmöker

Das ändert sich gerade. Denn Bücher gibt es längst nicht mehr nur gedruckt. Auch sie werden zunehmend digitalisiert. Zuerst als Hörbücher mit vorgelesenen Texten, immer öfter aber auch in der gedruckten Version. Denn mit dem Boom elektronischer Lesegeräte wie dem Kindle von Amazon und Sonys Reader steigt auch der Bedarf an digitalisierten Buchtiteln. Und mit dem erhöhten Aufkommen der Digitalschmöker wächst auch hier das Problem ihrer Raubkopien.

Pirate Bay etwa hat längst eine Sektion Hörbücher eingerichtet. Hier werden Lesungen literarischer Werke, die sonst als Hörbücher erworben werden müssen, genauso angeboten wie zuvor nur die illegal eingestellten Musikalben. Seit kurzem kann man aber über Pirate Bay auch illegal eingestellte "eBooks" beziehen, also Digitalfassungen von Magazinen, Sachbüchern und Belletristik.

So werden neben aktuellen Ausgaben von Spiegel, Playboy oder Nature unzählige Sachbücher gelistet. Man findet Verführungsratgeber, Computerhilfen und Kochbücher. Mehr und mehr taucht aber auch Belletristik im Netz auf: Wer Harry Potter sucht, wird ebenso fündig wie derjenige, der nach den Titeln von Stephen King und John Grisham stöbert.

Kartoffelchips und Dosenpils

Glaubt man den Verlegern, eskaliert das Problem seit einem Jahr. Gary M. Rinck, Leiter des Verlags "John Wiley & Sons", der die "Dummies"-Serie herausbringt, musste im ersten Halbjahr 2009 schon fünf mal mehr Fällen von illegalen Kopien seiner Bücher nachgehen als im letzten Jahr. Allerdings zögern viele Verleger, mit solchen Zahlen an die Öffentlichkeit zu treten, befürchten sie doch, dadurch zu noch mehr Diebstahl anzuregen. Doch gibt es ganz unterschiedliche Haltungen zu diesem Problem. Stephen King etwa sagte der New York Times: "Warum soll ich Raubkopierer verfolgen? Mein Eindruck: Die vegetieren in Kellerapartments auf verrotteter Auslegeware und leben von Kartoffelchips und Dosenpils." Pragmatisch sieht es Harlan Ellison, ein Drehbuchschreiber: "Ich will nicht reich werden mit meinem Zeugs, ich will nur dafür bezahlt werden."

Das aber geschieht bei Raubkopien aus Prinzip nicht. Richard Sarnoff, einer der Bertelsmann-Vorstände, trauert darum einer vertanen Chance nach: "Wenn so etwas wie iTunes, wo man selbstverständlich für Inhalte bezahlt, früher gestartet wäre, dann hätten sich die Leute daran gewöhnt, dass man seinen Obolus für Kunstwerke entrichtet." Die Wühlmäuse am Fundament der digitalisierten Besitztümer wird das kaum bremsen. Sie sind emsig beschäftigt - nun auch damit, den Elfenbeinturm der Literatur zu stürzen.

© SZ vom 13.5.2009/bey - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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