Lesung:Das Grauen überlebt

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Dagmar Lieblová liest ihre Biografie

Von Egbert Tholl

Vor zweieinhalb Jahren besuchte ich Dagmar Lieblová in Prag. Dort traf ich einen Menschen, so voller Witz, ja Schalk, so voller Lebensfreude, so klug und liebevoll, dass man kaum begreifen kann, was ihr in ihrem Leben widerfuhr.

Dagmar Lieblová wurde 1929 in Kútna Hora, einer tschechischen Bergstadt, in eine jüdische Familie hineingeboren. Ihr Vater war ein angesehener Arzt, die Familie war nicht sonderlich religiös, feierte auch Weihnachten und Ostern, lebte im jüdischen Milieu genauso wie unter Tschechen. Ganz normal. Bis 1939.

1942 kam Dagmar mit ihrer Familie nach Theresienstadt, blieb dort 18 Monate, dann kam der Transport nach Auschwitz. Dort wurden alle ihre näheren Verwandten ermordet, die Eltern, die Schwester, Onkel, Cousinen, Tanten. . .

Dagmar selbst kam 1944 zum "Arbeitsdienst" ins KZ Neuengamme bei Hamburg, sollte bis zum Verrecken Trümmer wegräumen. Die letzte Tage des Krieges verbrachte sie in Bergen-Belsen. Dort wurde sie im April 1945 von den Engländern befreit. Nur wegen eines Schreibfehlers überlebte sie, kam nicht ins Gas wie ihre Familie: In der Verwaltung von Auschwitz bekam sie das Geburtsdatum 1925 verliehen, alt genug für den Arbeitsdienst: "Der Schreibfehler ist der Grund, weshalb ich heute hier sitze."

Dagmar Lieblová liest aus ihrer Biographie "Jemand hat sich verschrieben - und so habe ich überlebt". Dazu spielt das Shalom-Ensemble Musik, die in Theresienstadt entstand. Davor wird der Dokumentarfilm "Musik als Zuflucht" des 15-jährigen Moritz Spender gezeigt über Musik in Theresienstadt und die Oper "Brundibar", in der Lieblová mitwirkte, Mi., 13. Juli, 20 Uhr, Pasinger Fabrik. Am 12. Juli liest Lieblová in der Buchhandlung Blattgold, Bunzlauer Platz 7, 20 Uhr

© SZ vom 12.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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