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Jochen Reiss stellt 111 Orte im Fünfseenland vor

Von Sabine Reithmaier

Das Buch eignet sich gut für all jene Zeitgenossen, die gern mit Spezialwissen beeindrucken. Macht es sich doch gelegentlich gut, nebenbei zu erwähnen, dass Thomas Mann im Feldafinger "Villino", wie er das Sommerhaus seines Freundes Georg Martin Richter nannte, das fünfte Kapitel des "Zauberbergs" beendet hat und seine erste Begegnung mit einem Grammophon ("Fülle des Wohllauts") hatte. Da kann man sich ziemlich sicher sein, dass, abgesehen von Dirk Heißerer, der die Geschichte des Hauses entdeckt hat, kaum jemand weiß, wo der Rückzugsort des Schriftstellers gewesen sein könnte, in dem er sich von 1919 bis 1923 zwischendurch vom Münchner Trubel erholte. Heute gehört das Gebäude dem Benedictus Krankenhaus Feldafing, eine Dauerausstellung kann zu festen Terminen besichtigt werden. Nicht schlecht ist es auch, über Bert Brechts Ferienhaus in Utting am Ammersee zu sprechen, das der Dichter 1932 kaufte, aber nur wenige Monate besaß, weil er im Februar 1933 vor den Nazis fliehen musste.

Die "111 Orte", die Autor Jochen Reiss zwischen Starnberger See, Ammersee, Wörthsee, Pilsensee und Weßlinger See zusammengetragen hat, passen nicht nur für Kulturbeflissene, sondern auch für all jene Einheimische, die ihre Gäste im Fünfseenland nicht nur zu den bekannten Highlights schicken, sondern mit amüsanten kleinen Orten überraschen wollen. Es ist eine bunte Fülle an Schauplätzen, die Reiss, lange Jahre Chefreporter und stellvertretender Chefredakteur der Münchner Abendzeitung, auf jeweils zwei Seiten mit guten Fotos knapp und klar vorstellt.

Die Palette reicht von der Werft des Bootsbauers Markus Glas in Pöcking-Possenhofen bis zum Pferde-Altenheim des Circus Krone oder der Biomilch-Zapfsäule des Landwirt Josef Vetterl in Dießen-Bierdorf, wo die Lieferanten gegenüber im neuen Stall stehen und die Zapfer beobachten. Reiss würdigt auch die Wandmalereien der Kunstaktivistin Erika Schalpers in der Unterführung beim Heimatmuseum in Starnberg, an denen man leicht achtlos vorbeiläuft, oder die kinetischen Skulpturen des Bildhauers Christian Tobins, der in Riederau am Ammersee arbeitet. Oder den Kunstmaler Sepp Wagner, der sich dem Starnberger See widmet und in einem winzigen Atelier am Possenhofener Dampfersteg malt. Natürlich hat der Autor auch Wirtshäuser und Schlösser, königliche Wartesäle oder den Schnapsladen der Benediktiner in Schäftlarn gefunden. Daher dürfte für jeden, eine kleine Entdeckung dabei sein.

Jochen Reiss: 111 Orte im Fünfseenland, die man gesehen haben muss. Emons Verlag

© SZ vom 20.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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