Leiter der documenta 12 ernannt:Mehr Politik wagen!

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Der deutsche Kurator und Künstler Roger-Martin Buergel wird Leiter der documenta 12 in Kassel.

STEFAN KOLDEHOFF

Der Titel der Ausstellung im KünstlerHaus Bremen verhieß Großes: "Das Privatleben der Spieler von Werder Bremen". Wer daraufhin zum Weserufer pilgerte, wurde zunächst enttäuscht: Der Titel war nichts als Kalkül, es gab weder Paparazzi-Fotos noch enthüllende Dokumente; Thema der Ausstellung war allein die Methode des Ausstellungsmachens.

Roger-Martin Buergel, der jetzt zum Leiter der documenta 12 im Jahr 2007 ernannt worden ist, spielt gern mit der Provokation, mit Erwartungen, die die Kunst als amoralische Disziplin zwangsläufig enttäuschen muss. Seine Ausstellungen haben politischen Anspruch, sind aber auch Bekenntnisse zur Ästhetik. Der heute 41-Jährige studierte Kunst, Philosophie und Wirtschaftswissenschaften in seiner Heimatstadt Berlin und in Wien, wo er als Künstler, als Autor des Magazins Springerin sowie als freier Kurator seit zwei Jahrzehnten lebt. In der Wiener Generali Foundation zeigte Buergel 1999 "Dinge, die wir nicht verstehen", er thematisierte die ästhetische Produktion von Künstlern, die sich mit gesellschaftspolitischen Fragen beschäftigen, und nahm dabei deutlich Stellung gegen "Staatsrassismus", gegen Haider und die FPÖ. Für das Gemeinschaftsprojekt "Museum in Progress" nahm er Medienräume wie Zeitungen, Plakatflächen oder das Internet in Anspruch.

Sein aktuelles Ausstellungsprojekt "Die Regierung", das Foucaults Theorem von der "Gouvernementalität", der Herrschaft in den Köpfen der Menschen, in den Mittelpunkt stellt, entsteht als work in progress zugleich in Lüneburg, Barcelona, Wien und Rotterdam. Buergels kuratorisches Werk ist klein, mit Großprojekten hat er bislang kaum Erfahrungen gemacht. Die angesehene Menil Foundation in Houston zeichnete ihn mit dem "Walter Hopps Award for Curatorial Achievements" aus. Der Begründung war zu entnehmen, wie schwer es selbst Kennern des Kunstbetriebes fällt, Buergel in Kategorien einzuordnen.

Die Entscheidung der internationalen Findungskommission ist deshalb mutig. Die beiden letzten documenta-Ausstellungen unter Catherine David und Okwui Enwezor haben nicht alle Erwartungen erfüllt. Beide Leiter steuerten die documenta weg von der Kunstausstellung hin zum globalen Dokumentationsprojekt, das letztlich an seinem allumfassenden Anspruch zu scheitern drohte. Die Kunst galt oft nur als Illustration von Theorien. Auch für Buergel ist es nicht möglich, Kunst jenseits von Konzepten und Diskursen zu erfahren. Er zieht aber eine deutliche Grenze zwischen künstlerischer Strategie und Sozialarbeit. Kassel wagt also eine behutsame Korrektur jenes Weges, den die documenta seit 1997 genommen hat.

© SZ v. 04.12.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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