Kurzkritk:Staunen lernen

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Igor Levit spielt Beethoven und Schubert im Prinzregententheater

Von Klaus Kalchschmid, München

Warum eigentlich statt eines erneuten kompletten Beethoven-Zyklus mal eine Reihe, die beziehungsreich etwa Franz Schubert und Ludwig van Beethoven gegenüberstellt - ohne zwingende Vollständigkeit freilich. Igor Levit spielte Schubert bei seiner jüngsten Matinée im Prinzregententheater zumindest als Zugabe. Bei Beethovens Nr. 13 bis 16 aber konnte man hören, dass gerade diese bis auf die sogenannte Mondschein-Sonate eher selten gespielten Klaviersonaten ein reiches, immer wieder neu zu deutendes Potenzial bieten. Und das vor allem, wenn sich ein Pianist so in ihre Kontraste, in ihre je eigene Welt vertieft, wie das Igor Levit mit Lust und stupender Fingerfertigkeit tut.

Levit begann mit der D-Dur-Sonate op. 28 und konnte schon mit dem ungemein zart hingezauberten Thema verblüffen. So zwingt man das Publikum zur Aufmerksamkeit und einzig so wird man dieser Musik gerecht, um anzudeuten, wie neu sie an der Schwelle vom 18. zum 19. Jahrhundert auf die Zuhörer gewirkt haben muss. Wenn nach der Durchführung die Reprise der Exposition folgt, hört man tatsächlich, dass es kein Zurück zum Anfang mehr gibt: noch verhaltener, noch dezenter, noch tastender klingt nun der Beginn. Solche Mirakel gibt es mehrfach zu bestaunen, ob in der G-Dur-Sonate op. 31/1 mit ihrem vermeintlich so heiter verspielten Kopfsatz, dessen Synkopen freilich bis zum Witz mit dem immer wieder hinausgezögerten Schluss-Akkord die rechte Würze sind. Auch der Mittelsatz mit der ungewöhnlichen Bezeichnung "Adagio grazioso" unterläuft bei Levit mehrfach die Hörerwartung.

Gerade eine "Sonata quasi una fantasia" wie das op. 27/1 kommt seinem Sinn für Kontraste und Extreme ebenfalls entgegen: den Allegro-Ausbruch zwischen den Andante-Teilen, dessen zweiter sich beim ihm ins Nichts verliert, spielt er wie eine Explosion als wär's das "Presto agi-tato" der "Mondschein-Sonate", mit dem die Matinée dann, großen Beifall heischend, auch zu Ende geht.

© SZ vom 18.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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