Kurzkritik:Träumerisch

Das Berliner "Artemis Quartett" spielt Mozart und Pēteris Vasks

Von Klaus P. Richter, München

Es scheint, dass mit der Geigerin Vineta Sareika aus Riga im Artemis Quartett auch dessen Programm neu inspiriert worden ist: durch das grandiose Reservoir baltischer Musikalität. Denn nach Mozarts Streichquartett G-Dur KV 387 folgte im Herkulessaal das fünfte Streichquartett des Letten Pēteris Vasks. Das war zuerst ein herber Kontrast zu Mozart mit der etwas manierierten Zärtlichkeit im ersten Satz, dem traumverlorenen Andante und einem luzid-funkelnden Schluss-Allegro.

Vasks, Jahrgang 1946 und selber Violinprofi, sorgte in seinem ersten Satz "being present" für allerhand hoch gespannte Dramatik in einem Kaleidoskop von hartnäckigen Themenwiederholungen, intensivem Espressivo und schriller Verzweiflung. Damit aber schien er sich nur die Legitimation für den zweiten und letzten Satz "so distant, yet near" zu verschaffen: Fast so traumverloren und "cantabile" wie Mozarts Andante, mit etwas Trauermarschrhythmus in der Reprise und einem Pianissimo-Ausklang voll lichter Trauer, geriet es zu einem Kabinettstück des kammermusikalischen Belcanto.

Einiges davon leuchtete dann immer wieder im späten G-Dur Streichquartett op. 106 von Antonín Dvořák auf. Gleich zu Beginn in den wiegenden Triolenmotiven, im Adagio, wenn sich das Moll zu Dur auflichtet, dann aber einem gewaltigen Höhepunkt entgegentreibt, vom Ensemble mit höchster Präzision gesteuert, oder im idyllischen D-Dur-Trio des Scherzos als Kontrast zu den eigenwilligen Themengestalten: ein Abend mit höchster Quartett-Kunst.

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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