Kurzkritik:Teilschuld

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Werner Koczwaras Jura-Comedy in der Lach und Schieß

Von Oliver Hochkeppel, München

Es ist wohl diese spezielle Kombination, der Werner Koczwara seinen Erfolg - ersichtlich unter anderem am längsten laufenden beziehungsweise meistgesehenen Kabarettprogramm Deutschlands - verdankt: Er ist hörbar bekennender Schwabe, wie kaum ein anderer bereit, in eigentlich staubtrockener Materie (vor allem Gesetzestexten und Urteilen) Realsatire aufzuspüren; und er hat generell ein Faible fürs Skurrile. Was sich in seinem neuen Programm "Einer flog übers Ordnungsamt" - dem Nachfolger des oben bereits angesprochenen, zwölf Jahre lang gespielten "Am achten Tag schuf Gott den Rechtsanwalt" - unter anderem darin äußert, dass er seine Text-Projektionen mit kuriosen Bildern von Muränen auflockert.

Ansonsten ging der "Erfinder des juristischen Kabaretts" nach dem jahrzehntelang erprobten Strickmuster vor und präsentierte dem eingangs strafstatistisch erfassten Publikum ("Hier sitzen im Durchschnitt zehn Jahre Führerscheinentzug, eine Million Euro für Strafzettel, fünf Jahre Haft auf Bewährung und zwei Jahre echter Knast im Saal") in der Lach und Schieß eine Fülle von Trouvaillen des meist unfreiwilligen juristischen Humors. Quer durch die Geschichte und über den Globus hinweg, vom frühneuzeitlichen Prozess gegen Feldmäuse im Südtiroler Glurns bis zum Paragrafen 4 der Verordnung zur Bekämpfung der San-Jose-Schildlaus, vom BGH-Urteil, das 1969 Frauen als Beifahrer wegen ihrer Geschwätzigkeit grundsätzlich eine Unfallmitschuld zuspricht, bis zu Beamtenfreundlichen Arbeitsunfall-Auslegungen, von den kuriosesten Reisemängelbegründungen bis zum allzu Menschelnden im Familienrecht.

Alles kurios und lustig. Schade nur, dass Koczwara zu selten vom Einzelfall zum übergeordneten Phänomen vordringt, zu klugen Ableitungen wie "Wir verreisen so gerne, weil wir das schönste Ausland haben", zu mehr als der schlichten Feststellung, dass Gleichheit und Gerechtigkeit nicht deckungsgleich sind. Es ist also eher juristische Comedy, die Koczwara macht, für juristisches Kabarett fehlt noch eine Reflexionsebene, die über das eingangs zitierte Groucho-Marx-Zitat hinausreicht: "Alles, was ich von meinem Anwalt erwarte, ist, dass er tagsüber wieder in seinem Sarg liegt."

© SZ vom 30.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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