Kurzkritik:Schüler in Panik

Lesezeit: 1 min

"DNA" bringt den Horror ins Metropoltheater

Von Sabine Fischer, München

Sie stolpern gefährlich nah am Abgrund entlang, diese roten Turnschuhe. Dann wackelt das Bild - und plötzlich ist da nichts mehr. Er ist tot. Adam, der eigentlich nur dazu gehören wollte, ist tot. Und nun stehen stattdessen die anderen auf der Bühne, die Täter. Regungslos wie Schattenfiguren, während im Hintergrund in dröhnender Lautstärke das Video der verhängnisvollen Nacht abläuft. Ja, das Stück "DNA", inszeniert von Judith Toth und Philipp Moschitz, könnte es sich einfach machen: Ein Teenagermord, eine Vertuschungsaktion, ein aus dem Nichts auftauchender Scheintoter - mehr als genug Stoff für effektheischendes Theater. Doch stattdessen erkundet das Theaterprojekt aus der Reihe "Bü(h)nenträume" im Metropoltheater eindrucksvoll Zwischentöne: Denn als das Licht angeht, sind die Gesichter der vermeintlichen Täter so ausdruckslos, als könnten sie selbst nicht begreifen, was passiert ist. War doch alles nur Spaß, die Sache mit Adam. Eigentlich.

Statt seine Protagonisten an den Pranger zu stellen, inszeniert "DNA" so die Dynamik einer Jugendgruppe, in deren Welt das Unvorstellbare eingebrochen ist - und das funktioniert: Vor allem der klug inszenierte Wechsel zwischen viel zu laut und viel zu leise macht das verhältnismäßig kurze Stück dabei so eindringlich. Auf laute Momente folgen noch entlarvendere Sekunden der Stille. Was genau mit Adam passiert ist, erfährt man als Zuschauer nur in der Retrospektive. Dann steht das Ensemble, elf Schüler der Mittelschule Bernaystraße, auf der Bühne. Sie erzählen irgendwas von einer Mutprobe, einem Unfall, einem Versehen - und sie sprechen dabei so schnell, als hätten sie selbst Angst vor ihren Worten. Überhaupt spielen die Schüler vor allem ihre eigenen Extreme, sich selbst am Rand des Vorstellbaren sozusagen.

Nicht nur Händels "Lascia ch'io pianga" durchzieht so die Handlung wie die Melodie eines Horrorfilms, der nie einer werden wollte. Auch das Ensemble bringt das unterschwellig Bedrohliche mit beeindruckender Präzision auf die Bühne: Je öfter sie sich "Halt die Fresse" an den Kopf werfen, desto sichtbarer wird die Angst. Je unbeeindruckter sie sich geben, desto offensichtlicher die Panik. Teenagerattitüden extrem

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: