Kurzkritik: Retro-Pop:Schonkost

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Der Gitarrist George Benson in der Philharmonie

Von Oliver Hochkeppel, München

Man würde gerne mal ins Innerste von George Benson blicken. Um zu erfahren, ob er aus Überzeugung macht, was er seit gut vier Jahrzehnten macht. Oder ob er es macht, weil das mal so erfolgreich war, dass der Großteil seines Publikums es immer wieder erwartet. Das wäre dann auch künstlerisch jene Bequemlichkeit, die der 74-Jährige aus Pittsburgh inzwischen körperlich ausstrahlt. Jedenfalls, und das ist das Fazit seines Auftritts in der Philharmonie, gibt es kaum einen anderen Musiker, der sein Talent derart unter den Scheffel stellt wie George Benson.

Natürlich blitzt bei butterweich gezogenen Linien, dem einmalig warmen Ton und makellosem Timing auf, was der früh Vollendete an der Gitarre könnte, wenn er nur wollte. Eine exzellente Stimme hat er bekanntlich auch. Nicht nur, wenn er unisono zur Gitarre scattet, klingt er verblüffend nach Al Jarreau - leider macht er ansonsten wenig daraus, außer dem Hang nach schmalzigen Tremolos und kitschiger Phrasierung nachzugeben. So geriet das teure Diner zum Fast-Food-Abstecher: Die Zutaten wären da gewesen, gekocht wurde nur Schonkost: ironiefrei aus den Achtzigern gebeamte Disko-Songs und Schnulzen (schrecklich: Nat King Coles "Unforgettable"). Bei den Instrumentals geht es noch, aber sobald Benson seine Gitarre beiseite stellt, wird es derart süßlich, dass man fürchtet, eine Insulinspritze zu brauchen. Die Begleitung durch Bass, Schlagzeug, Perkussion, zweiten Gitarristen und zwei Keyboards macht es auch nicht geschmackvoller.

Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Beim finalen "Give Me The Night" und bei der Zugabe "On Broadway" begibt sich Benson aus der Komfortzone, machen er und die Band Druck, da wird soliert und sogar improvisiert. Das hätte man sich öfter und früher gewünscht.

© SZ vom 13.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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