Kurzkritik Pop:Spätes Debüt

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Ein bisschen Bob Dylan schwingt immer mit, wenn Kiefer Sutherland auf der Bühne steht, wie hier 2017 bei der "Not Enough Whiskey in Europe"-Tour im Münchner Technikum. (Foto: Stefan M. Prager/imago)

Der US-Star Kiefer Sutherland singt Country im Technikum

Von Dirk Wagner, München

Die Tage, an denen alles super für ihn lief, könne er an einer Hand abzählen. Das sagt ausgerechnet Kiefer Sutherland, dessen Schauspielkarriere sich schon lange mit der seines Vaters Donald Sutherland messen kann. Am späten Nachmittag signiert er vor dem Technikum Taschen und Mobiltelefone von Fans, die ihm dort für einige Selfies auflauern. Abends steht er im Technikum als Countrysänger auf der Bühne.

Nun hatte der Calypso-Sänger Harry Belafonte von sich mal behauptet, er könne nur singen, weil er als Schauspieler den Sänger mimt. Doch Sutherland ist kein singender Schauspieler. Der Ruhm als solcher sichert ihm bestenfalls eine größere Aufmerksamkeit für seine späte Musikkarriere. Immerhin war er schon 49 Jahre alt, als sein Debüt-Album erschien. Und immerhin ist nicht jeder der zahlreich erschienenen Fans der Countrymusik wirklich so zugeneigt wie Sutherland selbst. Der holt den Country auch gleich bei den "Badasses" ab, bei Tom Petty zum Beispiel oder bei Merle Haggard. Beide covert Sutherland, von einer versierten Band unterstützt, geradezu formvollendet. Aber auch seine eigenen Songs reihen sich vortrefflich in das Outlaw-Bewusstsein seiner Vorbilder ein, wenn Sutherland zum Beispiel in einem Song den Brief eines Häftlings verarbeitet, den dieser kurz vor seiner Hinrichtung an seine einstige große Liebe adressiert. Von der Kälte seines Lebens ist darin die Rede und von vertanen Chancen.

Hier brilliert plötzlich doch wieder der Schauspieler in Sutherland. In seiner trainierten Fähigkeit nämlich, Geschichten zu erzählen, die er diesmal aber nicht mit Gesten und Mimik inszeniert, sondern mit Klängen. Wenn Sutherland sein Programm ausgerechnet mit Bob Dylans "Knocking On Heaven's Door" schließt, der Nummer also, in deren Coverversionen schon ganz andere Musiker ertranken, ist das ebenso mutig wie letzten Endes sehr gelungen.

© SZ vom 10.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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