Es gibt Bildmaterial, das die vermeintlich härteste Band der Welt Ende der Sechzigerjahre als verrucht fertige Typen zeigt. Trotzdem sehen die 1963 gegründeten Pretty Things um den Gitarristen Dick Taylor, der zuvor übrigens auch die Rolling Stones mitbegründet hatte, etwa 50 Jahre später im Ampere geradezu unverschämt fit aus. Das ist nicht nur der verjüngten Rhythmus-Sektion zu danken, die mit dem 26 Jahre alten Bassisten George Woosey und dem ebenso jungen Schlagzeuger Jack Greenwood den alten Rocksongs neuen Druck verleiht.
Die Gesangsstimme des 1944 geborenen Phil May setzt sich im Gitarren- und Bluesharp-Gewitter der Pretties noch immer so bestimmend durch, als habe erst sie Bo Diddleys "Roadrunner" das Rennen beigebracht. Und das spannend aufgeteilte Gitarrenspiel von Taylor und dem erst 1988 dazu gekommenen Frank Holland rückt die Zuschauer wieder an die Quelle der Rockmusik, zurück ins London der frühen Sechzigerjahre also, als britische Jugendliche eine US-amerikanische Bluesmusik adaptierten, um damit rückwirkend auch die US-amerikanische Rockkultur zu beeinflussen.
Entsprechend könnte man auch die von den Pretties gecoverten Klassiker von Muddy Waters, Willie Dixon oder eben Bo Diddley durchaus für deren eigenen Songs halten, die sich live von den tatsächlich eigenen Kompositionen wie "Honey, I Need" ebenso wenig unterscheiden wie die alten Hits von neuen Songs aus dem 2015 nach der ersten Zeile aus Bob Dylans "Tombstone Blues" benannten Album "The Sweet Pretty Things (Are In Bed Now Of Course)". "The Same Sun" zum Beispiel. Und tatsächlich scheint ja die selbe Sonne von damals immer noch, auch wenn die Pretties sie zwischenzeitlich mit Hilfe von LSD etwas anders gesehen haben mögen. Der daraus resultierende 1966er Hit "L.S.D.", dessen L wie das britische Pfund Sterling geschrieben wird, gerät nun auch nüchtern gespielt zum bewusstseinserweiternden, psychedelischen Klangspektakel.