Kurzkritik Pop:Im Walzen-Takt

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Die Berliner Band "Mutter" mit Sound-Problemen in der Milla

Von Martin Pfnür, München

Die akustische Rückkopplung, besser bekannt als "Feedback", mag sich längst als Stilmittel in der Rockmusik etabliert haben. Blöd nur, dass das schrille Pfeifen, mit dem der übersteuerte Bass von Michael Fröhlich die Magie des herrlichen - und tragischerweise primär vom Bass-Spiel getragenen - Anbahnungs-Stücks "So bist du" zunichte macht, eher nicht in die Kategorie "Stilmittel" fällt.

Nein, es ist sicher nicht der größte Konzertabend in der gut 30-jährigen Geschichte der Berliner Band Mutter. Zu laut der Bass, zu leise die Gitarre, zu gering die Bereitschaft der Band, für einen Moment aus ihrer erhabenen Aura des Schweigens herauszutreten, um dem guten Mann hinterm Mischpult ein paar Korrekturen zuzurufen. Und dennoch: Ein verhunztes Mutter-Konzert ist noch lange kein schlechtes. Dafür steht allein schon Max Müller, der die physische Komponente dieser Musik mit einer Bewegungspalette unterstreicht, die vom elektrisierten Ganzkörperzucken über den geschmeidigen Hüftkreisler bis hin zur eingesprungenen Hocke und leichtem Stretching im Liegen reicht.

Wo Mutter ihr letztes Konzert in der Milla vor drei Jahren noch als buntes Allerlei quer durch die stilistischen Wendungen und Brüche ihrer Underground-Laufbahn gestalteten und sich dabei auch immer wieder von ihrer melodischen, ja poppigen Seite präsentierten, liegt der Fokus dieses Abends klar auf den ebenso formidablen wie harschen Stücken des neuen Albums "Der Traum vom Anderssein", mit dem die Band etwa den Unsinn kontemporärer Individualisierungs-Zwänge und die Abgründe des Post-Faktischen umkreist. Bleischwere, in endlosen Repetitions-Mustern kreiselnde Drone- und Heavy-Rock-Walzen sind das. Sie fluten den Raum in der Milla mit einer Energie, die der entrückt dreinblickende Müller virtuos mit kaum verständlichen lyrischen Klangmalereien und Zischlauten befeuert. Das ruhig und gravitätisch voranschreitende "So bist du" hätte da als Ruhepol des Albums einen hübschen Kontrapunkt ergeben. Schade drum.

© SZ vom 23.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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