Kurzkritik Pop:Dunkle Dynamik

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"Esben and the Witch" aus Brighton betören in der Milla

Von Martin Pfnür, München

Der amerikanische Musikproduzent Steve Albini ist ein überaus aufrechter Mann. Seine strengen Arbeitsprinzipien basieren etwa auf der Annahme, dass die Aufgabe des Produzenten mehr darin besteht, den Sound einer Band möglichst authentisch via Live-Aufnahme einzufangen, anstatt ihn durch aufwendiges Mischen und Nachbearbeiten unnötig zu manipulieren. Geradezu beispielhaft lässt sich das auf "A New Nature", dem 2014 erschienenen dritten Album des britischen Trios Esben and the Witch, nachhören. Wo die nach einem dänischen Märchen benannte Band aus Brighton auf dem Vorgänger "Wash the Sins Not Only the Face" mit fein arpeggierten, verwunschen-verhallten Stücken noch einen synthieverstärkten, patschulisüßen Gothic-Pop-Appeal verströmt, macht die Albini-Produktion "A New Nature" ihrem Titel alle Ehre. Ebenso knochentrocken eingespielter wie ungeschliffener Post-Rock ist das, dem sich die Band mit ihrem neuen Album "Older Terrors" nun sogar noch konsequenter verschreibt, indem sie bei einer Spielzeit von gut 45 Minuten gerade mal vier monströse Songs versammelt.

Entsprechend intensiv gerät auch ihr Konzert in der Milla, das Esben and the Witch als Fest der post-rockigen Dynamik gestalten. Immer wieder aufs Neue wird man hier zwischen leise und laut, zwischen sachter, minutenlanger Anbahnung in Moll und heftigen, repetitiven Ausbrüchen durch Songs geschleust, die einen gleichsam betören und durchrütteln, während Sängerin und Bassistin Rachel Davies sich mit ihrer einst mehr lieblich und hell erklingenden Stimme nun vermehrt als kraftvoll phrasierende Hohepriesterin der Dunkelheit gegenüber dem Dröhnen der Instrumente zu behaupten weiß.

Als Zugabe zum Runterkommen gibt es in der Milla den "Marching Song" im akustischen Gewand, dann sind die drei schon wieder weg, was sich auch durch rhythmisches Klatschen und flehentliche "One-more-song!"-Rufe nicht ändern lässt. Esben and the Witch wissen mittlerweile offenbar sehr genau, was sie wollen und was nicht. Gut so.

© SZ vom 26.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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