Kurzkritik: Perfomance:Traumsplitter

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Ein verhuschter Nachmittag: Mey Seifans "Siesta" im Hoch X

Von Egbert Tholl, München

Der Hüter über die elektronische Musik und seine Gehilfinnen tragen Goldfolie, wie sie Flüchtlinge vor Kälte schützen soll, und verspricht wie ein Schiffsschaukel-Bremser tolle Sachen. Man wird befragt nach Lieblingsfarbe und Alter und niemanden interessiert die Antwort. Dann kommen die Träume. Die Träume wohnen im Hoch X in einer Zeltstadt und werden verkörpert von herumkrauchenden Menschen. Ein Mädchen trägt mit schlechter Laune Kochutensilien in einer Ikea-Tasche herein und macht später schrundigen Lärm, der Ansager verwandelt sich in eine Braut, ein wilder, haariger Araber vergeht sich an mehreren Zelten, eine Frau gebiert unablässig, mal einen Clown, den sie nicht haben will, mal einen Teddybären, eine Seejungfrau fiept und ein schönes Mädchen trägt eine Metall-Thermosflasche spazieren. Nein halt, die gehört gar nicht zu den Performern.

Die Idee, die die syrische Choreografin und Theatermacherin Mey Seifan zu ihrer Performance "Siesta" hatte, ist schön. Menschen auf der Flucht, die in Zelten leben müssen, haben immer noch ihre Träume und Erinnerungen, unter denen sicherlich viel Schreckliches ist, aber auch Sehnsüchte und Schönes. Auf einem Zettel kann man auf Englisch lesen, hier übersetzt: "Alle meine Träume befinden sich im Haus meiner Großmutter im Dorf. Manchmal machen wir im Haus sauber."

So ein poetischer Gedanke ist rar in dem Stück "Siesta". Eher hat man den Eindruck, wenn man selbst so träumte, wachte man vor Langeweile sofort auf. Oder zumindest vor Verwirrung. Für einen Moment fragt man sich sogar, ob man sich über die Harmlosigkeit der Veranstaltung angesichts dessen, wovon sie ja letztlich handelt, ärgern sollte. Aber nein, es wäre der Mühe nicht wert. Und so verbringt man einfach einen faulen Nachmittag im schönen Hoch X, freut sich an der Installation der von innen beleuchteten Zelte und denkt sich einen eigenen Traum aus und hofft, dass der einem in der kommenden Nacht begegnen wird.

© SZ vom 05.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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