Kurzkritik:Letzte Dinge

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Brahms' Requiem im Herkulessaal

Von Klaus Kalchschmid, München

Am Ende mochten einige Zuhörer im Herkulessaal mit dem Applaus nicht warten bis Yannick Nézet-Séguin die Arme senkte. Aber nach dem Brahms-Requiem ist Stille mehr als angebracht, denn selbst wenn diese sieben Sätze nicht im November erklingen, rühren sie doch schon in ihren biblischen Texten stärker an konkret letzte Dinge und sprechen sie vom ganz persönlichen Umgang mit dem Tod, sind damit berührender und tröstender als so manches lateinische Requiem.

Schwebend wie aus dem Jenseits tönte das eröffnende "Selig sind, die da Leid tragen", gespiegelt am Ende im nicht minder zart hoffnungsfrohen "Selig sind die Toten, die in dem Herren sterben." Das war das leise Extrem einer Aufführung, die im Kontrast dazu den zweiten Satz als gewaltig voranwälzenden, erschreckend sich entladenden Kondukt begriff, bei dem der Herkulessaal an seine akustischen Grenzen stieß. Später, beim nicht minder gewaltig sich auftürmenden, aber nun enorm zügigen "Der Tod ist verschlungen in den Sieg!" war die Balance perfekt und man begriff, dass hier ein "Dies Irae" der ganz anderen Art den Saal flutete. Ein ähnlich breites Ausdrucksspektrum offenbarte Matthias Goerne in den Bariton-Soli, blieb dabei aber etwas routiniert.

Restlos überzeugend waren dagegen der reine Chorsatz "Wie lieblich sind deine Wohnungen" und "Ihr habt nun Traurigkeit", von Christiane Karg mit berückender Klarheit und Konzentration gesungen. Zauberhaft gelangen auch viele feine Übergänge vom wie immer traumhaft schön und differenziert singenden Chor zum Symphonieorchester des BR oder der verhaltene Beginn von "Denn alles Fleisch, es ist wie Gras."

Einerseits war es schön, dass zu Beginn die e-Moll-Symphonie Hob.I:44 von Joseph Haydn erklang, denn seine großartigen Symphonien sind viel zu selten im Konzert zu hören. Andererseits war es abwegig, zumal Nézet-Séguin von den Streichern enormen Nachdruck und zugleich vibratoarmes, sehnig-rauhes Spiel forderte und dadurch die Klangbalance empfindlich störte.

© SZ vom 27.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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