Kurzkritik:Knapp daneben

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"Der kreuzbrave Fridolin" in der Schauburg

Von Sabine Leucht, München

Es ist eine poetische Geschichte, in der ein erwachsener Mann mit "Löffelohren" aus einem Ei schlüpft. Es ist eine skurrile Geschichte, in der ein Känguru sich dem Mann als Haustier andient, den es zunächst selbst als "Hausmenschen" halten wollte. Es ist eine traurige Geschichte, weil sie von der Tragik des Alterns und der unendlichen Einsamkeit dieses Mannes erzählt, seiner Selbstaufopferung und einem grausamen Teenager-Mädchen, das ihm diese mit Kälte und Verachtung quittiert. Und es geht in dem von Ad de Bont geschriebenen und eingerichteten Stück "Der kreuzbrave Fridolin" in guter holländischer Tradition auch um Toleranz: Zwei Männer, die sich ein Bett teilen? Pinkfarbene Fingernägel bei einem Jungen? Den Tod als Fest begreifen? Alles nicht normal? Wer sagt denn das?

Jouke Lamers ist mit der wunderbaren kleinen Welt des Socken-Katers "Nero Corleone" seit fast 15 Jahren regelmäßig in der Schauburg zu sehen. Und den "kreuzbraven Fridolin" geht er ähnlich phantasievoll an: Mit seinem aufklappbaren und mit wechselnden Prospekten bestückten Kamishibai-Theater, mit kleinen Finger- und kleinkindgroßen Klappmaulpuppen, Live-Malerei, Gesang und viel Zwiegespräch zwischen dem Protagonisten und sich selbst als Erzähler. Und doch wirkt die Vorstellung für Zuschauer ab sechs Jahre seltsam unrund und auch ein wenig so, als gäbe es eine ästhetische und inhaltliche Ebene für die Kinder und eine zweite, davon unabhängige, die sich direkt und ausschließlich über deren Köpfe hinweg zwischen Erwachsenen versenden will.

Zur ersten Ebene gehören die bei der Zweitaufführung von lauten Juchzern begleitete Namenssuche für den kleinen Mann sowie die bunten Papp-Eier, die am Ende fast zu Willkommensballons werden. Zur zweiten muss man einige Erwachsenenvokabeln und das Thema der Hingabe und des Abschiednehmens zählen. So viel es auf der kleinen Studiobühne auch zu entdecken und zu lachen gibt: Die Launen einer 14-Jährigen und das entsagungsvolle Glück eines alten Mannes gehen an den Kids gezielt vorbei.

© SZ vom 13.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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